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stellen. Tadle mich keiner, ehrwürdige Versammlung, daß ich, ein junger Mann, ohne Verdienste, ohne Ansprüche auf Sitz und Stimme in der Litteratur, es wagte, den Hochberühmten anzugreifen. Steht doch jedem Leser das Recht zu, seine Meinung über das Gelesene, auf welche Art es sei, öffentlich zu machen, steht doch jedem Mann in der bürgerlichen Gesellschaft das Recht zu, über Erscheinungen, die auf die Bildung seiner Zeitgenossen von einigem Einfluß sind, zu sprechen.

Ich bin weit entfernt, mich mit dem großen jüdischen König und Harfenisten David vergleichen zu wollen, aber hat nicht der Sohn Isais, obgleich er jung und ohne Namen im Lager war, dem Riesen Goliath ein steinernes Vergißmeinnicht an die freche Stirne geworfen, ihm in Scherz und Ernst den Kopf abgehauen und solchen als Lustspiel vor sich hertragen lassen? Mir freilich haben die Jungfrauen nicht gesungen: „Er hat Zehentausend geschlagen“ (worunter man die Zahl seiner Anhänger verstehen könnte), denn die Jungfrauen sind heutzutage auf der Seite des Philisters; natürlich, er hat ja, wie Asmus[1] sagt:

„– Federn auf dem Hut
Und einen Klunker dran.“

Selbst die jüdischen Rezensenten haben sich undankbarerweise gegen mich erklärt. Leider hat ihre Stimme wenig zu bedeuten in Israel.

Gehen wir aber, in Betrachtung, wie es dem Mondmanne auf der Erde erging, weiter, so stoßen wir auf einen ganz sonderbaren Vorfall. Als dieses Buch, dem neben der Weise und Sprache des Erfinders der Mimili-Manier auch sein angenommener Name nicht fehlen durfte, in alle vier Himmelsgegenden des Landes ausgegeben wurde, erwarteten wir nicht anders, als Clauren werde „geharnischt bis an die Zähne“ auf dem Kampfplatz der Kritik erscheinen, uns mit Schwert und Lanze anfallen, seine Knappen und dienenden Reisigen[WS 1] zur Seite. Wir freuten [251] uns auf diesen Kampf, wir hatten ja für eine gute Sache den Handschuh ausgeworfen. Vergebens warteten wir. Zwar erklärte er, was schon auf den ersten Anblick jeder wußte, dieser Mann im Monde sei nicht sein Kind, aber statt, wie es einem berühmten Litterator, einem namhaften Belletristen geziemt hätte, wie es sogar seine Ehre gegenüber von seinen Anbetern und Freunden verlangte, öffentlich vor dem Richterstuhl litterarischer Kritik nach ästhetischen Gesetzen sich zu verteidigen, begnügte er sich, als Gegengewicht das „Tornister-Lieschen“ auf die Wagschale zu legen, und ging hin, vor den bürgerlichen Gerichten zu klagen, man habe seinen Namen mißbraucht. Hatte man denn die paar Buchstaben H. Clauren angegriffen? War es nicht vielmehr seine heillose Manier, seine sittenlosen Geschichten, sein ganzes unreines Wesen, was man anfocht? Konnten Schöppen und Beisitzer eines bürgerlichen Gerichts ihn rein machen von den litterarischen Sünden, die er begangen? Konnten sie mit der Flut von Tinte, die bei diesem Vorfall verschwendet wurde, ihn rein waschen von jedem Fleck, der an ihm klebte? Konnten sie ihm, indem sie ihm ihr bürgerliches Recht zusprachen, eine Achtung vor der Nation verschaffen, die er längst in den Augen der Gutgesinnten verloren? Konnten sie, indem sie genugsam Sand auf das Geschriebene streuten, das, was er geschrieben, weniger schlüpfrig machen?

Wenn aber, andächtige Versammlung, der Gerichtshof H. Clauren als wirklich vorhanden angenommen hat, so hat er damit nur erklärt, daß man Claurens Namen nicht führen dürfe, daß es unrechtmäßigerweise geschehen sei, daß man die acht Buchstaben, die das non-ens bezeichneten, H. C. l. a. u. r. e. n. in derselben Reihenfolge auch auf ein anderes Werk gesetzt habe. In einer andern Reihenfolge wäre es also durchaus nicht unrecht gewesen, und wie viele Anagramme sind nicht aus jenen mystischen acht Buchstaben zu bilden, z. B. Hurenlac, oder Harnceul. Der Geheime Hofrat Karl Heun bezeigt eine außerordentliche Freude über diesen Spruch und glaubt, somit sei die ganze Sache abgethan, und er habe recht. Wie täuscht sich dieser gute Mann! War denn jene Satire „Der Mann im Monde“ gegen seinen angenommenen


  1. Pseudonym des Dichters Matth. Claudius (vgl. Anmerk. Bd. 2, S. 50), in dessen Gedichte „Die Geschichte von Goliath und David in Reime gebracht“ (Strophe 1) es heißt: „Er hatte Tressen auf dem Hut Mit einem Klunker dran.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Als Reisige oder Reisiger wurden im Mittelalter bewaffnete Dienstleute oder berittene Begleitpersonen bezeichnet.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 250–251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_128.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)