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Namen gerichtet? Namen, Herr, thun nichts zur Sache; der Geist ist’s, auf den es abgesehen war. Und die Richter vom Eßlinger Gerichtshof, konnten und wollten diese entscheiden, ob die Tendenz, die Sprache, das ganze Wesen von Seiner Wohlgeboren Schriften sittlich oder unsittlich sei, ob sie Probe halten vor dem Auge, das nach kritischen Gesetzen urteilt und nach den Vorschriften der Ästhetik, in welches Gebiet doch die Schriften eines Clauren gehören? Der Name, nicht die Sache, konnte nach bürgerlichen Gesetzen unrecht sein; aber versuche er einmal, nachdem er mit Glück seinen Namen verfochten, auch seine Sache, den Geist und die Sprache seiner Schriften zu verteidigen! – –
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– – – – – Bedenke:

Auch das Schöne muß sterben, das Menschen und Götter entzückte,
Doch das Gemeine steigt lautlos zum Orkus hinab.[1]

Wohl dem Namen Clauren, wenn er dann trotz so manchem Vergißmeinnicht vergessen sein wird, denn nach wenigen Jahrzehnten verschwindet der Scherz, und ernst richtet die Nachwelt. Da wird man fragen: Von welchem Einfluß war dieser Name auf seine Mitwelt? Was hat er für die Würde seiner Nation, für den Geist seines Volkes gethan? Und – man wird nach Werken, nicht nach Worten richten.

Bei den alten Ägyptiern war es Sitte, wenn man die Könige der Erde wiedergab, Gericht zu halten über ihre Thaten. Man hat in unseren Tagen diese schöne Sitte erneuert, so oft einer unter den Dichtern, den Königen der Phantasie, hinübergegangen war. Über Jean Paul vernahmen wir das schöne merkwürdige Wort: „Gute Bücher sind gute Thaten!“ Wird man von Clauren dasselbe sagen?

Doch genug davon; noch hat weder Clauren, noch ein Gerichtshof [253] der Erde den Mann im Monde nach seinem innern Wesen widerlegt; wir sind begierig, ob und wie es geschehen werde.

Und nun zum Schlusse noch ein Wort an euch, verehrte Zuhörer. Habt ihr bis hieher mir aufmerksam zugehört, so danke ich euch herzlich, denn ihr wisset jetzt, was ich gewollt habe. Schmerzen würde es mich übrigens, wenn ihr mich dennoch nicht verständet, nicht recht verständet. Es möchte vielleicht mancher mit unzufriedener Miene von mir gehen und denken: der Thor predigt in der Wüste; sollen wir denn jeglichem heiteren Geistesgenuß entsagen, sollen wir so ganz asketisch leben, daß unsere Taschenlektüre Klopstocks „Messias“ werden soll?

Mitnichten! und es wäre Thorheit, es zu verlangen; als der Schöpfer dem Sterblichen Witz und Laune, Humor und Empfänglichkeit für Freude in die Seele goß, da wollte er nicht, daß seine Menschen traurend und stumm über seine schöne Erde wandelten. Es hat zu allen Zeiten große Geister gegeben, die es nicht für zu gering hielten, durch die Gaben, die ihnen die Natur verlieh, die Welt um sich her aufzuheitern. Nein, gerade weil sie den tiefen Ernst des Lebens und seine hohe Bedeutung kannten, gerade deswegen suchten sie von diesem Ernste – trüben Sinn und jene Traurigkeit zu verbannen, die alles, auch das Unschuldigste, mit Bitterkeit mustert. Wirkliche Tiefe mit Humor, Wahrheit mit Scherz, das Edle und Große mit dem heiteren Gewand der Laune zu verbinden, möchte auf den ersten Anblick schwer erscheinen; aber England und Deutschland haben uns seit Jahrhunderten so glänzende Resultate gegeben, daß wir glauben dürfen, wenn nur der Geschmack der Menge besser wäre, der Geister, die sie würdig und angenehm zu unterhalten wüßten, würden immer mehrere auftauchen. Welchen Mann, der nicht allen Sinn für Scherz und muntere Laune hinter sich geworfen hat, welchen Mann ergötzt nicht die Schilderung eines sonderbaren, verschrobenen Charakters? Wer erfreut sich nicht an heiteren Szenen, wo nicht der Verfasser lacht, sondern die Figuren, die er uns gezeichnet; wem, wenn er auch jahrelang nicht gelächelt hätte, müßten nicht Jean Pauls Prügelszenen ein Lächeln abgewinnen? Auf der Stufenleiter seines Humors steigt er herab bis in das unterste, gemeinste


  1. Vgl. Schillers Gedicht „Nänie“, erste und letzte Zeile.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 252–253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_129.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)