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für Euch haben müsse und eine tiefere Bedeutung, als Ihr mir bisher gestanden.“

Fröben errötete; der Alte sah ihn so scharf und durchdringend an, als wollte er im innersten Grund seiner Seele lesen. „Es ist wahr“, antwortete er, „dieses Bild hat eine tiefe Bedeutung für mich, und Sie haben recht gesehen, wenn Sie glauben, es sei nicht das Kunstwerk, was mich interessiere, sondern der Gegenstand des Gemäldes. Ach, es erinnert mich an den sonderbarsten, aber glücklichsten Moment meines Lebens! Sie werden lächeln, wenn ich Ihnen sage, daß ich einst ein Mädchen sah, das mit diesem Bild täuschende Ähnlichkeit hatte; ich sah sie nur einmal und nie wieder, und darum gehört es zu meinem Glück, wenigstens ihre holden Züge in diesem Gemälde wieder aufzusuchen.“

„O Gott! das ist ja auch mein Fall!“ rief Don Pedro.

„Doch lachen werden Sie“, fuhr Fröben fort, „wenn ich gestehe, daß ich nur von einem Teil des Gesichtes dieser Dame sprechen kann. Ich weiß nicht, ist sie blond oder braun, ist ihre Stirne hoch oder nieder, ist ihr Auge blau oder dunkel, ich weiß es nicht! Aber diese zierliche Nase, dieser liebliche Mund, diese zarten Wangen, dieses weiche Kinn finde ich auf dem geliebten Bilde, wie ich es im Leben geschaut!“

„Sonderbar! – Und diese Formen, die sich dem Gedächtnis weniger tief einzudrücken pflegen, als Auge, Stirn und Haar, diese sollten, nachdem Ihr nur einmal sie gesehen, so lebhaft in Eurer Seele stehen?“

„O Don Pedro!“ sprach der Jüngling bewegt. „Einen Mund, den man einmal geküßt hat, einen solchen Mund vergißt man so leicht nicht wieder. Doch, ich will erzählen, wie es mir damit ergangen.“

„Halt ein, kein Wort!“ unterbrach ihn der Spanier. „Ihr würdet mich für sehr schlecht erzogen halten müssen, wollte ich einem Kavalier sein Geheimnis entlocken, ohne ihm das meine zuvor als Pfand gegeben zu haben. Ich will Euch erzählen von der Dame, die ich in jenem sonderbaren Bilde erkannte, und wenn Ihr mich dann Eures Vertrauens würdig achtet, so möget Ihr mir mit Eurer Geschichte vergelten. Doch, Ihr trinket ja gar [283] nicht; es ist echter spanischer Wein, und ihn müßt Ihr trinken, wenn Ihr mit mir Valencia besuchen wollt.“

Sie tranken von dem begeisternden Pietro Ximenes, und der Alte hub an:


6.

„Sennor, ich bin in Granada geboren. Mein Vater kommandierte ein Regiment, und er und meine Mutter stammten aus den ältesten Familien dieses Königreichs. Ich wurde im Christentum und allen Wissenschaften erzogen, die einen Edelmann zieren, und mein Vater bestimmte mich, als ich zwanzig Jahre alt und gut gewachsen war, zum Soldaten. Aber er war ein Mann, streng und ohne Rücksicht im Dienste, und weil er die Zärtlichkeit meiner Mutter für mich kannte und fürchtete, sie möchte ihn oft verhindern, mich meine Pflicht gehörig vollbringen zu machen, beschloß er, mich zu einem andern Regiment zu schicken, und seine Wahl fiel auf Pampeluna, wo mein Oheim kommandierte. Ich lernte dort den Dienst sorgfältig und genau und brachte es in den folgenden zehn Jahren bis zum Kapitän. Als ich dreißig alt war, wurde mein Oheim nach Valencia versetzt. Er hatte Einfluß und wußte zu bewirken, daß ich ihm schon nach einem halben Jahr als Adjutant folgen konnte. Als ich aber in Valencia ankam, hatte sich in meines Oheims Hauswesen vieles geändert. Er war schon längst, noch in Pampeluna, Witwer geworden. In Valencia lernte er eine reiche Witwe kennen und hatte sie einige Wochen früher, als ich bei ihm eintraf, geheiratet. Sie können denken, wie ich überrascht war, als er mir eine ältliche Dame vorstellte und sie seine Gemahlin nannte; meine Überraschung stieg aber und gewann an Freude, als er auch ein Mädchen, schön wie der Tag, herbeiführte und sie seine Tochter Laura, meine Kousine, nannte. Ich hatte bis zu jenem Tage nicht geliebt, und meine Kameraden hatten mich oft deshalb Pedro el petro (den steinernen Pedro) genannt; aber dieser Stein zerschmolz wie Wachs von den feurigen Blicken Lauras.

Ihr habt sie gesehen, Don Fröbenio, jenes Bild gibt ihre himmlischen Züge wieder, wenn es anders einem irdischen Künstler

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 282–283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_144.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)