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auf sich gezogen hätte. Der junge Lanbek hatte sich beinahe bis an die Seite seines Vaters vorgedrängt, bereit, wenn es zu Thätlichkeiten kommen sollte, den alten Herrn kräftig zu unterstützen. Er hatte eben seine Maske fester gebunden, damit sie ihm im Handgemenge nicht verloren gehen möchte, als ihn der Polizeidiener erblickte und mit lauter Stimme, indem er auf ihn deutete, rief: „Im Namen des Herzogs, diesen greift, den Türken dort, der ist der rechte.“

Die Überraschung und sechs Arme, die sich plötzlich um ihn schlangen, machten ihn wehrlos. So nahe seinem Vater, der ihn hätte retten können, wagte er doch nicht, sich auch nur durch einen Laut zu erkennen zu geben, weil er den Zorn seines Vaters noch mehr fürchtete als die Gewalt des Juden.

Die alten Herrn waren stumm vor Staunen über diesen Vorfall, der Anführer der Häscher wurde, als er seinen Zweck erreicht hatte, artiger und entschuldigte sich, worauf jene kalt und abgemessen dankten. Willenlos ließ sich der junge Mann dahinführen. Die Menge, die sich vor der Thüre versammelt hatte, teilte sich, aber manche schauten ihm neugierig in die Augen, um zu erraten, wer es sein möchte, den man hier mitten aus der öffentlichen Lust herausriß. Gustav hörte, als er weiter hingeführt wurde, einen schwachen Schrei; er sah sich um, und beim schwachen Schein der Lampen glaubte er den Turban der schönen Orientalin gesehen zu haben. Schmerzlich bewegt ging er weiter, und erst als die kalte Winternacht schneidend auf ihn zuwehte, erwachte er aus seiner Betäubung und übersah nicht ohne Besorgnis die Folgen, die seine Gefangennehmung haben könnte.


5.

Die Polizeidiener hatten den Sarazenen, wahrscheinlich aus Rücksicht auf seine feine und reiche Kleidung, in das Offizierszimmer der Hauptwache gebracht. Der wachhabende Offizier wies ihm mit einer mürrischen Verbeugung eine Bank, die in der fernsten Ecke des Zimmers stand, zu seiner Schlafstätte an, und ermüdet von dem langen Umherirren auf dem Ball, fand der junge Mann dieses Lager nicht zu hart, um nicht bald einzuschlafen.

[399] Trommeln weckten ihn am nächsten Morgen; schlaftrunken sah er sich in dem öden Gemach um, blickte bald auf sein hartes Lager, bald auf seine Kleidung, und nach einer geraumen Weile erst konnte er sich besinnen, wo er sei und wie er hieher gekommen. Er trat ans Fenster, noch war alles still auf dem Platze vor der Hauptwache, und nur die Kompanie, die gerade vor seinem Fenster zur Ablösung aufzog, unterbrach die Stille des trüben Februarmorgens. Indem die Trommeln auf der Straße schwiegen, hörte er von der Stiftskirche acht Uhr schlagen, und der Ton dieser Glocke rief ihn alles Unangenehme und Besorgliche seiner Lage zurück. „Bald wird er nach dir fragen“, dachte er, „und wie unangenehm wird es ihn überraschen, wenn er hört, ich sei in dieser Nacht nicht zu Hause gekommen!“ – Im Hause des alten Landschaftskonsulenten Lanbek ging alles einen so geordneten Gang, daß dieses Ereignis allerdings sehr störend erscheinen mußte. Zu dieser Stunde pflegte der alte Herr seit vielen Jahren sein Frühstück zu nehmen; mit dem ersten Glockenschlag erschien dann, zugleich mit dem Diener, der den Kaffee auftrug, sein Sohn; man besprach sich über Tagesneuigkeiten, über den Gang der Geschäfte, und zu jener Zeit ließ es der allgewaltige Minister nicht an Stoff zu solchen Gesprächen fehlen. Das Gespräch war regelmäßig mit dem Frühstück zu Ende; der Aktuarius küßte dem Alten die Hand und ging dann einen Tag wie den andern ein Viertel vor neun Uhr nach seiner Kanzlei. Diese langjährige Sitte des Hauses rief sich Gustav in diesen Augenblicken zurück. „Jetzt wird Johann die Tassen bringen“, sagte er zu sich, „jetzt wird er erwartungsvoll nach der Thüre sehen, weil ich noch nicht eingetreten bin, jetzt wird er mich rufen lassen; – daß ich doch dem guten, alten Herrn solchen Ärger bereiten mußte!“ Er warf unwillig seinen Turban weg, stützte die Stirne in die Hand und beschloß, den Offizier, sobald er wieder erscheinen würde, um die Ursache seiner Verhaftung zu fragen.

Die Trommeln ertönten wieder, die Abgelösten zogen weiter, er hörte die Gewehre zusammenstellen, und bald darauf trat ein Offizier in das halbdunkle Gemach. Er warf einen flüchtigen Blick nach seinem Gefangenen in der Ecke, legte Hut und Degen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 398–399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_202.png&oldid=- (Version vom 30.1.2023)