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bewunderte den schlanken Bau, den kräftigen Schritt und die gewandten Bewegungen des jungen Mannes. Er war einigemal versucht, zu fragen, wer er sei, wo er wohne; aber es lag etwas so Bestimmtes, Überwiegendes in seinem ganzen Wesen, daß er diese Frage immer wieder auf eine bequemere Zeit verschob. Im Thal wandte sich der Jäger stromabwärts; Kinder und Alte, die ihnen begegneten, grüßten ihn überall freundlich und zutraulich; manche blieben wohl auch stehen und schauten ihm nach. Oft stand er stille und machte den Fremden auf jeden schönen Punkt aufmerksam, erzählte ihm von der Lebensart der Leute, von ihren Sitten und ländlichen Festen.

Der Weg bog jetzt um den Berg, und plötzlich standen sie dem neuen Schloß gegenüber, das Albert von der Höhe herab gesehen hatte. „Welch herrliches Gebäude!“ rief er, „wie malerisch liegt es in diesen Weinbergen! Wem gehört dieses Schloß?“

„Meinem Vater“, erwiderte der Jäger freundlich. „Ich denke, Sie setzen mit mir über und versuchen den Wein, der auf diesen Hügeln wächst?“

Gerne folgte der junge Mann dieser einfachen Einladung; sie gingen ans Ufer, wo der Jäger einen Kahn losband; er ließ seinen Gast einsteigen und ruderte ihn leicht und kräftig über den Fluß. Auf reinlichen, mit feinem Kies bestreuten Wegen, durch hohe Spaliere von Wein gingen sie dem Schloß zu, dessen einfach schöne Formen in der Nähe noch deutlicher und angenehmer hervortraten, als aus der Ferne betrachtet. Unter dem schattigen Portal, das vier Säulen bildeten, saß ein Mann, der aufmerksam in einem Buche las. Als die jungen Männer näher kamen, stand er auf und ging ihnen einige Schritte entgegen. Er war groß, aufrecht und hager und etwa zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt. Ein schwarzes, blitzendes Auge, eine kühn gebogene Nase, die dunkelbraune Gesichtsfarbe und eine hohe, gebietende Stirne, wie seine ganze Haltung gaben ihm etwas Auffallendes, Überraschendes. Er trug einen einfachen militärischen Oberrock, ein rotes Band im Knopfloch, und noch ehe er ihm vorgestellt wurde, wußte der junge Rantow aus diesem allen, daß es der General Willi sei, vor welchem er stand. Ihn selbst stellte der [493] junge Willi als Vetter der Thierbergs und als seinen Reisegefährten vor.

Der General hatte eine tiefe, aber angenehme Stimme; er antwortete: „Mein Sohn hat mir von Ihnen gesagt; Ihre Mutter kenne ich wohl, habe sie früher in der Residenz gesehen. Als wir nach Schlesien marschierten, wurde ich nach Berlin geschickt; ich blieb vier Wochen bei der Feldpost dort und ritt während dieser Zeit mehreremal nach Fehrbellin hinüber, Ihre Eltern zu besuchen.“

„Wahrhaftig!“ rief der junge Mann; „ich erinnere mich, mehrere französische und deutsche Offiziere damals in unserem Haus gesehen zu haben; es müßte mich alles täuschen, Herr General, oder ich kann mich noch Ihrer erinnern. Ihre Uniform war grün und schwarz, und einen großen grünen Busch trugen Sie auf dem Hut. Sie ritten einen großen Rappen.“

„Ach ja, die alte Leda!“ sagte der General. „Sie hat treu ausgehalten bis an die Beresina, dort liegt sie zwanzig Schritte von der Brücke im Sumpf. Es war ein gutes Tier, und in der Garde nannte man sie le diable noir. – Grüne Büsche, sagen Sie? – Richtig, ich diente damals unter den schwarzen Jägern von Württemberg. Ein braves Korps, bei Gott! Wie haben sich diese Leute bei Linz[1] geschlagen!“

„War es damals“, bemerkte Rantow, „als Marschall Vandamme[2], den Gott verdamme, äußerte: ‚Ces bougres là se battent comme nous!‘?“

„Sie haben da eine sonderbare Übersetzung des Namens Vandamme, doch – ach! Sie sind ein Preuße – gut! Ich gebe zu, der General Vandamme war verhaßt, besonders in der süddeutschen Armee; er wußte es auch recht gut, aber seine Bewunderung über die Bravour jener Soldaten hätte er vielleicht artiger, aber nie mit mehr Wahrheit ausdrücken können.“


  1. Am 17. Mai 1809 wurden hier die Österreicher von einem württembergisch-sächsischen Korps geschlagen.
  2. Dominique Jos. Vandamme, Graf von Hüneburg (1771–1830), französischer General unter Napoleon I, war tapfer, aber grausam, was sich besonders zeigte, als er am 31. Mai 1813 Hamburg nach seinem Abfall von den Franzosen wieder einnahm und furchtbar züchtigte.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 492–493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_249.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)