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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Ich auch – und ich“, antworteten die Brüder vom Hirschberg und von Zollern.

„Nun, da muß der Teich hier gerade in der Mitte liegen“, fuhr der Kleine fort. „Es ist ein schönes Wasser.“

„Ja, und eben darum habe ich euch hieher beschieden. Ich weiß, ihr seid beide große Freunde vom Fischen, und ob ich gleich auch zuweilen gerne die Angel auswerfe, so hat doch der Weiher Fische genug für drei Schlösser, und an seinen Ufern ist Platz genug für unserer drei, selbst wenn wir alle auf einmal zu angeln kämen; darum will ich von heute an, daß dieses Wasser Gemeingut für uns sei, und jeder von euch soll gleiche Rechte daran haben wie ich.“

„Ei, der Herr Bruder ist ja gewaltig gnädig gesinnt“, sprach der kleine Schalk mit höhnischem Lächeln, „gibt uns wahrhaftig sechs Morgen Wasser und ein paar hundert Fischlein! Nu – und was werden wir dagegen geben müssen, denn umsonst ist der Tod!“

„Umsonst sollt ihr ihn haben“, sagte Kuno gerührt, „ach! ich möchte euch ja nur zuweilen an diesem Teich sehen und sprechen; sind wir doch eines Vaters Söhne.“

„Nein!“ erwiderte der vom Schalksberg, „das ginge schon nicht, denn es ist nichts Einfältigeres, als in Gesellschaft zu fischen, es verjagt immer einer dem andern die Fische; wollen wir aber Tage ausmachen, etwa Montag und Donnerstag du, Kuno, Dienstag und Freitag Wolf, Mittwoch und Sonnabend ich – so ist es mir ganz recht.“

„Mir nicht einmal dann“, rief der finstere Wolf. „Geschenkt will ich nichts haben und will auch mit niemand teilen; du hast recht, Kuno, daß du uns den Weiher anbietest, denn wir haben eigentlich alle drei gleichen Anteil daran, aber lasset uns darum würfeln, wer ihn in Zukunft besitzen soll; werde ich glücklicher sein als ihr, so könnt ihr immer bei mir anfragen, ob ihr fischen dürfet.“

„Ich würfle nie“, entgegnete Kuno, traurig über die Verstocktheit seiner Brüder.

„Ja, freilich“, lachte der kleine Schalk, „er ist ja gar fromm und gottesfürchtig, der Herr Bruder, und hält das Würfelspiel für eine Todsünde; aber ich will euch was anderes vorschlagen, [133] woran sich der frömmste Klausner nicht schämen dürfte. Wir wollen uns Angelschnüre und Haken holen, und wer diesen Morgen, bis die Glocke in Zollern zwölf Uhr schlägt, die meisten Fische angelt, soll den Weiher eigen haben.“

„Ich bin eigentlich ein Tor“, sagte Kuno, „um das noch zu kämpfen, was mir mit Recht als Erbe zugehört; aber damit ihr sehet, daß es mir mit der Teilung Ernst war, will ich mein Fischgeräte holen.“

Sie ritten heim, jeder nach seinem Schloß; die Zwillinge schickten in aller Eile ihre Diener aus, ließen alle alten Steine aufheben, um Würmer zur Lockspeise für die Fische im Teich zu finden, Kuno aber nahm sein gewöhnliches Angelzeug und die Speise, die ihn einst Frau Feldheimerin zubereiten gelehrt, und war der erste, der wieder auf dem Platz erschien. Er ließ, als die beiden Zwillinge kamen, diese die besten und bequemsten Stellen auserwählen und warf dann selbst seine Angel aus. Da war es, als ob die Fische in ihm den Herrn dieses Teiches erkannt hätten; ganze Züge von Karpfen und Hechten zogen heran und wimmelten um seine Angel; die ältesten und größten drängten die kleinen weg, jeden Augenblick zog er einen heraus, und wenn er die Angel wieder ins Wasser warf, sperrten schon zwanzig, dreißig die Mäuler auf, um an den spitzigen Haken anzubeißen. Es hatte noch nicht zwei Stunden gedauert, so lag der Boden um ihn her voll der schönsten Fische; da hörte er auf zu fischen und ging zu seinen Brüdern, um zu sehen, was für Geschäfte sie machten. Der kleine Schalk hatte einen kleinen Karpfen und zwei elende Weißfische, Wolf drei Barben und zwei kleine Gründlinge, und beide schauten trübselig in den Teich, denn sie konnten die ungeheure Menge, die Kuno gefangen, gar wohl von ihrem Platz aus bemerken. Als Kuno an seinen Bruder Wolf herankam, sprang dieser halbwütend auf, zerriß die Angelschnur, brach die Rute in Stücke und warf sie in den Teich; „ich wollte, es wären tausend Haken, die ich hineinwerfe, statt dem einen, und an jedem müßte eine von diesen Kreaturen zappeln“, rief er, „aber mit rechten Dingen geht es nimmer zu, es ist ein Zauberspiel und Hexenwerk, wie solltest du denn, dummer Kuno, mehr Fische fangen in einer Stunde, als ich in einem Jahr?“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Leipzig., Wien,: Bibliographisches Institut, 1891-1909, Seite 132-133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)