Seite:De Wilhelm Hauff Bd 4 160.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Sie werden die Prinzessin sehr schlecht finden“, sagte diese Dame mit Tränen; „ich gebe alle Hoffnung auf. Ich kann mir nicht denken, daß in der Unterredung mit Ihnen, Herr Baron, noch etwas Rettendes liegen könne. Werden Sie ihr keinen Trost geben können, so verlischt sie uns wie eine Lampe, die kein Öl mehr hat, um ihre Flamme zu nähren; und wollten Sie ihr Trost, Hoffnung geben, so sind diese Gefühle in ihren Verhältnissen von so unnatürlicher Art, daß ich beinahe wünschen müßte, sie möge eher sterben, als ihrem Hause Schande machen.“

„Also werde ich ihr den Tod bringen müssen“, sagte der Major bitter lächelnd; – „weiß man in der Familie um diese Geschichten? Was denkt man von der Krankheit?“

„Wie ich Ihnen sagte, Herr Baron; die Familie, der Hof und die Stadt weiß nicht anders, als daß sie sich erkältet haben muß; die törichten Leute bringen auch noch die fatale Oper ins Spiel und lassen sie am ‚Othello‘ sterben. Was wir beide wissen, weiß sonst niemand; es gibt einige Damen, die dieses Verhältnis früher ahneten, aber nicht genau wußten.“

„Und doch fürchte ich“, entgegnete der Major, indem er seinen durchdringenden Blick auf die Dame an seiner Seite heftete, „ich fürchte, sie stirbt an einem sehr gewagten Bubenstück. Man hat dieses Verhältnis geahnet, nachgespürt, es wurde zur Gewißheit, man suchte eine Trennung herbeizuführen, man spürte die Verhältnisse des Grafen aus –“

„Glauben Sie?“ sagte die Oberhofmeisterin blaß und mit bebenden Lippen, indem sie umsonst versuchte, den Blick des Majors auszuhalten.

„Man forschte diese Verhältnisse aus“, fuhr der Major fort; „man suchte ihn von hier wegzuschrecken, indem man ihm drohte, der Prinzessin zu sagen, daß er verheiratet sei. Bis hieher war der Plan nicht übel; es gehörte einem solchen Elenden, daß man nicht gelinder mit ihm verfuhr. Aber man ging weiter; man wollte auch die unglückliche Dame schnell von ihrer Liebe heilen, man machte sie mit dem Geheimnis des Grafen bekannt, man glaubte, sie werde alles über nacht vergessen. Und hier war der Plan auf die Nerven eines Dragoners berechnet, aber nicht auf das Herz dieses zarten Kindes.“

[319] „Ich muß bitten, zu bedenken“, entgegnete die Oberhofmeisterin mit ihrer früheren Kälte, aber mit stechenden Blicken, „daß dieses zarte Kind eine Prinzessin des fürstlichen Hauses ist, daß sie erzogen wurde, um mit Anstand über solche Mißverhältnisse wegzusehen. Sollte wirklich irgend ein solcher Plan vorhanden gewesen sein, so kann ich die Handelnden nicht tadeln, sie haben wahrhaftig geschickt operiert –“

„Sie haben ihren Zweck erreicht, sie wird sterben“, unterbrach sie der Major.

„Ich hätte meinen Zweck erreicht? mein Herr, ich muß bitten –“

„Sie?“ sagte Larun mit gleichgültiger Stimme; „von Ihnen gnädige Frau, sprach ich nicht, ich sagte: sie, die Handelnden, die Operierenden.“

Die alte Dame biß sich in die Lippen und schwieg. Wenige Augenblicke nachher waren sie an einer Seitenpforte des Palais angelangt. Ein alter Diener führte sie durch ein Labyrinth von Korridors und Treppen. Endlich wurden die Gänge breiter, die Beleuchtung auf elegantere Art angebracht, der Major bemerkte, daß sie in den bewohnteren Flügel des Schlosses gelangt seien. Der Alte winkte in eine Seitentüre. Der Weg ging jetzt durch mehrere Gemächer, bis in einem Salon, der wohl zu den Appartements der Prinzessin gehören mochte, die Oberhofmeisterin dem Major zuflüsterte, er möchte einstweilen in einem Fauteuil sich gedulden, bis sie ihn rufen lasse.

Nach einer tödlich langen Viertelstunde erschien sie wieder. Sie sagte ihm, daß nach dem ausdrücklichen Willen der Kranken er allein mit ihr sein werde; sie selbst wolle sich als Garde de Dame an die Türe setzen, wo sie gewiß nichts hören könne, wenn man nicht gar zu laut spreche. Übrigens dürfe er nicht länger als eine Viertelstunde bleiben. Der Major trat ein. Das prachtvolle Gemach mit seinen schimmernden Tapeten und goldenen Leisten, die reiche Draperie der Gardinen, die bunten Farben des türkischen Fußteppichs taten seinem Auge wehe, denn das Gemüt will ein leidendes Herz, einen kranken Körper nicht mit den Flittern der Hoheit umgeben sehen. Und wie groß war der Kontrast zwischen diesem Glanz der Umgebung und diesem zarten,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891-1909, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)