Seite:De Wilhelm Hauff Bd 4 224.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

4) „Das verlohrne Kameel und die drey aufmerksamen Brüder“ in (J. G. Herders und Liebeskinds) „Palmblättern. Erlesene morgenländische Erzählungen für die Jugend“, Bd. 3 (1796).

5) Voltaires „Zadig“, Kap. 3: „Le chien et le cheval“.

Während nun aber trotz aller Gleichartigkeit des Gedankens und der Tendenz jene Erzählungen in einzelnen Punkten sehr stark voneinander abweichen, z. B. meist nur von einem einzigen verlorenen Tiere, einem Kamel, die Rede ist, stimmt Hauffs „Abner“ so auffallend mit Voltaires Geschichte überein, daß man an einzelnen Stellen fast eine wörtliche Übersetzung vor sich zu haben glaubt, während andere Teile größere Veränderungen zeigen. Ein Vergleich ergibt folgendes Bild:

Voltaire gibt eine sachliche Erklärung dafür, wie Zadig dazu gekommen ist, die Eigenschaften der Tiere zu studieren, und woher seine Beobachtungen in diesem besonderen Falle stammen.

Bei Hauff ist die Einkleidung und Einleitung der Geschichte anders. Er spricht von einem Juden, den er mit den typischen Eigenschaften seines Stammes charakterisiert, wie er ja öfter (so in den „Memoiren des Satan“) Juden hereinzieht und verspottet.

Bei Voltaire sieht Zadig zuerst den Eunuchen der Königin, der den Hund sucht, bei Hauff Abner zuerst den Oberstallmeister auf der Suche nach dem Pferde.

Im übrigen stimmen nun die Berichte und wörtlichen Reden der beiden Erzählungen sehr genau überein; nur hat Hauff zuweilen etwas weitläufiger geschildert und einige die Sache ausmalende Redensarten hinzugefügt, wie das von ihm hineingebrachte orientalische Zeremoniell es verlangt, aber doch nur so viel, daß man bei einzelnen Stellen an einer wirklichen Übersetzung des Voltaireschen, von ihm willkürlich etwas erweiterten, selten gekürzten Textes kaum zweifeln kann. (Die Benutzung einer Quelle, die auch Voltaire direkt ausgezogen hätte, ist mir für Hauff unwahrscheinlich.)

Hinzugefügt hat Hauff z. B. beim Hunde den langbehaarten Schwanz und die Merkmale für denselben, beim Pferde die goldglänzenden Haare und sodann die biblischen Zitate des Juden. Ferner läßt er diesen seinen Bericht direkt vor dem Sultan erstatten, während Zadig seine Aussagen vor den Richtern macht. Auch der Schluß beider Erzählungen, der bei Hauff bedeutend länger ist, weicht stärker voneinander ab.

Vgl. hierzu Dunlop, Geschichte der Prosadichtungen, deutsch von Liebrecht, S. 401 (Berl. 1851); Wilhelm Seele, Voltaires Roman „Zadig ou la destinée“ (1901) und L. Fränkel in der „Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Altertumskunde“, Bd. 36 u. 37 (1891 u. 1892). Ich bemerke noch, daß obige Reihenfolge nicht die Abhängigkeit der einen von der anderen Erzählung andeuten soll, da z. B. Voltaires Vorlage eine französische Übersetzung des Originals von Nr. 1 oder 2 war.

S. 65, Z. 21 bis S. 68, Z. 19. So sprachen die jungen Leute bis welche [447] man gewöhnlich Märchen nennt.“ fehlt alles in Schwabs Ausgabe der „Sämmtlichen Schriften Hauffs“ und allen an diese sich anlehnenden Ausgaben.

S. 65, Z. 26. Die Erzählung „Der arme Stephan“ von Schöll muß natürlich, wie alle anderen nicht von Hauff herrührenden, in einer Sammlung von dessen Werken wegbleiben. Dagegen haben wir den Text der Rahmenerzählung unverkürzt beibehalten, während G. Schwab, der erste Sammler und Herausgeber von Hauffs Werken, sowie alle auf seiner Ausgabe Fußenden, hier eine größere Änderung eintreten lassen. – Nach Beendigung von Schölls Erzählung fährt Hauff fort, wie unser Text[WS 1] oben zeigt. – Über Gustav Adolf Schöll (geb. 2. September 1805, gest. 26. Mai 1882), den bekannten Archäologen und Kunstschriftsteller, der nur sehr wenig mit eigenen Dichtungen hervorgetreten ist, haben wir jetzt eine zusammenfassende Lebensskizze von Rudolf Schöll in Band 32 der „Allgemeinen deutschen Biographie“[WS 2].

S. 67, Z. 12. Die Erzählung „Der gebackene Kopf“ ist eine Episode aus Moriers „Adventures of Hajji Baba“. In der Übersetzung dieses Werkes von Rudolf Wald (Leipzig 1824, in der Reinschen Buchhandlung erschienen) findet sich diese Erzählung im 2. Teil, S. 318–361. – James Justinian Morier, um 1780 in Smyrna geboren, gestorben am 19. März 1849 in Brighton, trat 1807 in den englischen diplomatischen Dienst und wurde als Privatsekretär an den persischen Hof gesandt, dann zum Gesandtschaftssekretär ernannt. Er beschreibt diese Reise in dem Werke „Journey through Persia, Armenia, and Asia minor to Constantinople in the years 1808 and 1809“ (London 1812) während eines zweiten Aufenthaltes in Persien, über den er in „A second journey through Persia“ (London 1818) berichtet. Von 1824 bis 1826 hatte er eine außerordentliche Mission in Mexiko; seitdem aber widmete er sich ganz der schriftstellerischen Tätigkeit. Er schrieb Erzählungen und Romane, unter denen „The adventures of Hajji Baba of Ispahan“ (1824) durch guten Humor und getreue Wiedergabe orientalischen Lebens besonders hervorragen. (Vgl. über ihn die kurze Lebensbeschreibung im „Dictionary of national biography“, Bd. 39, S. 51 ff., Lond. 1894.)

S. 68, Z. 19. Gerade bei diesem Teile des Textes wird man am ehesten empfinden, daß durch Weglassung dieser Verbindung mit dem früheren Gespräche der jungen Leute und des Alten der innere Zusammenhang merklich gestört wird, und daß der Anschluß in dem verkürzten Texte etwas unvermittelt ist.

Der Affe als Mensch (S. 71–90).

Vgl. hierzu auch Hauffs Erzählung in seiner „Kontrovers-Predigt“ (Bd. 3, S. 242 ff. unserer Ausgabe), die in der Grundidee fast ganz mit jener der vorliegenden Geschichte übereinstimmt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tert
  2. siehe ADB:Schöll, Adolph
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891–1909, Seite 446–447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_224.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)