Seite:De Zimmerische Chronik 2 298.jpg

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er uf den passaige kompt vom Longino, wie er Christo in die seiten het gestochen, so sprücht er: »In dess so kompt ein alter hüneresser daher und sticht etc.« Es wolt iederman des alten hüneressers halben in der predig vor lachen

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zerbrochen sein, aber herr Gotfridt Wernher het nit vil gefallens darab. * Zudem het sich herr Adrian mehrmals berüempt, er hette vor jharen zu Freiburg uf der hochen schuel ein baren güldin zu lehrgelt geben, wie er hennen und caponen

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verlegen solte. Das war im Gabriel herfür streichen und vermaint ihe, die hochfart gehörte keim geistlichen zu, vil weniger aim seelsorger, der dem gemainen man ein guet ebenbildt sollte vortragen. Dise reden kammen dem pfarrer für und villeucht mit ainer böserung, wie dann vilmals

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beschicht. Der legt ain großen neidt uf in, und was er im auch laidts und widerdrieß beweisen konte, das wardt nit underlassen. Begab sich uf ain zeit, als der pfarrer uf ain hoch fest zu S. Martin predigen sollt und sich dess nit versehen, het im Gabriel zu ainer bosshait und das er in

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unrüebig machte in seiner predig, die dann er, Gabriel, vermainte, mehr außer hoffart, dann außer dem gaist Gottes beschehe, des morgens, ehe man zu der kirchen leutet, ain alt rosskommat uf die canzel gelegt; das mit ainem duch het er seuberlich überdeckt, und wiewol er das von

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menigclichem megte gesehen werden, idoch, wie der messmer, auch ander vermainten, es were villeucht ain buech oder etwas anders, das außer des pfarrers verordnung dahin were geschafft worden, ließ man das also bleiben. So gab sein der pfarrer auch kein acht. Wie er nun vor dem ampt

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uf die canzel geet und das bolster ersicht, befrembdt er sich dessen, und mit verwunderung, was das seie, hept er das duch uf. So ersicht er und menigclich in der kirchen das alt kommat, darab der gemain hauf, der sonst dem pfarrer nit bössers gonte, ain gelechter anfieng. Dess nam der pfarrer

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zu ainer solchen müeh und beschwerdt an, das er sich wainens nit enthalten konte, sonder überlaut an der canzel schrie: »O wee, o wee mir armen pfarrer, soll ich das gotzwort verkünden und ain prediger [sein] und würd zu aim kommat vergleicht! sollt ich das an hals henken?« Und

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wiewol [462] er sich mit vil und merern worten uf der canzel dieser schmach ganz übel gehueb, so ward er doch von seinen widerwertigen nur dess mehr verspott und ver-


Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band II. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_2_298.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)