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doctor Hanns Kühorn kom, so kan ich zu vermelden nil underlassen: Herr Wilhelm spaziert uf ain zeit in der vacanz hinab geen Meinz; es raiseten mit doctor Khühorn, auch sonst vil gueter herren und gesellen. Also wie sie geen

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Meinz kammen, do luede iezbemelter doctor Khühorn herr Wilhelm Wernhern in sein behausung, und het der doctor ain guete, alte frawen, die thett dem herren alle ehr. Sie hielt stets die haushaltung zu Meinz, kam gar selten zum doctor geen Speir. Füegt sich eins tags, als herr Wilhelm

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Wernher im hof spazieren gieng, kompt ein arme pettelfraw für das haus. Herr Wilhelm Wernher gieng zu ir, fragt sie, ob sie nit den doctor Khühorn kännte. Sie sprach: »Ja«, also schankt er ir ein guets trinkgelt. Darbei verhieß sie im, sie wölte umb vesperzeit mit irem jungen kündt wider

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kommen, dem doctor das kindt bringen, als ob es sein were, wie sie dann von dem herren ordenlichen und nach vorteil war abgericht. Wie es nur schier umb dieselbig zeit war, fieng herr Wilhelm Wernher mit dem doctor und seiner hausfrawen ein gesprech an, damit er sie userm haus brechte

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in den hof. Also waren sie nit lang alda, es kompt die arm fraw mit irm kindt und leutet an der porten. Schickt sichs ohne geferdt, das der doctor, am nechsten bei der porten, ufthet. Er fragt die fraw, was sie begert. Indess fürt herr Wilhelm Wernher des doctors frawen auch hinzu.

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Die betelfraw sagt dem doctor, sie kem mit seim kindt, das welt sie im geben, oder er solt ir ein gulden oder zehen zustellen, sie het iez wol in eim halben jar nichs von ime empfangen. In somma, der boss gieng gar wol ab, dann der doctor markt anfangs nit, das die sach also überlegt,

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wolt die fraw nit mer hören. So spricht herr Wilhelm Wernher: »Liebe fraw, ir seindt villeucht nit am rechten; kennen ir dann diesen herren?« »Ja, traun,« spricht sie, »solt ich in nit kennen? ich bin schier all tag bei im zu Speir.« Hiezwischen aber het herr Wilhelm Wernher des

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doctors frawen mit kürze aller sachen bericht. Die fieng an, dem doctor außzubutzen. Letstlich markt der doctor den überlegten handel, schlecht die porten zu, zu seiner hausfraw sprechendt: »Hausfraw, glaub ir nit! mein herr von Zimbern hats angericht.« Also war die sach gleich

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wider gericht und volgt ain gelechter darauß. Er starb hernach, anno 1537 zu Meinz in grosem alter.

Aber baldt darnach begegnet herr Wilhelm Wernhern


Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band III. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_3_194.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)