Seite:De Zimmerische Chronik 4 320.jpg

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stoffes an, daß dieser den umfang der eigentlichen geschichte der grafen von Zimmern wohl fast überschreiten dürfte, wie er ihn seinem wissenschaftlichen werthe nach in wahrheit übertrifft. Zwar hat die darstellung durch diese weitschweifige, vom eigentlichen ziele oft fern abirrende methode an einheit und übersicht verloren, so daß es oft schwer fällt, den abgerissenen faden der erzählung wieder anzuknüpfen, dafür hat aber die chronik an stofflichem werthe so viel gewonnen, daß wir jenen formellen mangel gerne übersehen, um so mehr, als manche dieser beigaben nach inhalt und form ganz dazu angethan sind, dem leser nach ernst gehaltenen mittheilungen neue lust zur lektüre beizubringen. »Man mueß«, sagt die chronik, »zu zeiten den ernsthaftigen und laidigen fellen auch guete schwenk und ander bossen anhenken, damit die handlungen durch ainandern vermischt und der leser guetwillig behalten werd« (IV, 13, 10 ff.), oder »der, so historias beschreiben, nit allain die ernstliche hendel, sonder auch anders, was zu zeiten sich lecherlichs oder schimpflichs begeben, melden soll und hierinnen niemands, wess standts oder wer er sei, verschonen« (IV, 75, 9).[1] Was näherhin den werth der historischen mittheilungen betrifft, so können diese für das 16te und theilweise auch für das 15te jahrhundert, d. h. für die gleichzeitigen ereignisse, sofern sie dem berichterstatter nicht zu ferne lagen, als zuverläßig betrachtet werden. Ereignisse dagegen, welche der person und unmittelbaren ansicht des verfassers zeitlich und örtlich weniger nahe standen, erscheinen nicht selten in verkehrtem lichte, oder es werden dinge als ursache und folge in zusammenhang gebracht, welche sachlich auseinander liegen und chronologisch unvereinbar sind. Oft begegnet man auch sagen, die schon in älteren quellen stehen, in der chronik aber lokalisirt, in die zeit und in die nachbarschaft des chronisten versetzt sind. Kann man daher nicht in abrede stellen, daß die chronik für ereignisse, welche weit hinter die zeit ihrer entstehung zurückgreifen, nach dem schicksale ähnlicher chronikwerke an zuverläßigkeit verliert und zu kritischer vorsicht auffordert, so ist doch nicht zu verkennen und dem kritischen zweifel als gegengewicht an die seite zu stellen, daß die ganze darstellung, abgesehen von dem überaus reichen quellenfundamente, auf das die chronik aufgebaut ist, den eindruck tiefer wahrheitsliebe macht. Es mag die chronik selbst sprechen, wie sie die aufgabe eines geschichtschreibers auffasst, nach welchen grundsätzen sie demnach geschrieben ist. »Ain, der historias beschreiben will«, sagt sie (I, 526, 15 ff.), »soll sich wol erinnern, da er die warhait und die sachen, sich verloffen, an tag gibt, das er hiemit die gesetz der


  1. vergl noch III, 169, 7 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_320.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)