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sondern aus dem Bedürfnis, Treue zu halten der ererbten Eigenart. Und es gab viel zu kämpfen, denn auch darin hatte die Welt sich geändert. Niemand in Petersburg sprach mehr von „braven Ostseerittern“. Scharfe Winde wehten aus Norden hin zu den Ostseeprovinzen. Und in diesen selbst begann das Leben anders zu werden. Nicht mehr ganz dieselbe harmlos behagliche Gastlichkeit herrschte. Anspruchsvoller wurden die Menschen, teurer die Dinge. Und einen Unterton von Unsicherheit und Besorgnis begann man zu hören. Zur Feindschaft von oben gesellte sich tückische Auflehnung von unten. Die Letten waren nicht mehr jene unterwürfigen Gestalten aus Dorothees Jugend.

Ja, so vergingen die Jahre. Vierzig mal 365 Tage und dazu noch die Schalttage waren verstrichen, seit Dorothee unter den Apfelbäumen Burkahnens über ihr Leben entschieden hatte. Lang, lang waren diese vielen Tage manchmal gewesen! – Gelegentlich hatte Dorothee deutsche Bäder besucht. Zu weiteren Reisen war es indessen nie recht gekommen. Die Geschäfte der eigenen Güter, die größeren der Provinz, hatten Arnold immer irgendwie hemmend zurückgehalten. Und Dorothee selbst hatte auch nie sonderlich darauf bestanden. Aber jetzt sollten sie reisen. An die Riviera. Arnold kränkelte, er, der so lang aufrecht und stark dagestanden, wie die Bäume nordischer Wälder, bedurfte der Sonne des Südens, so sagten die Ärzte.

Und so reisten sie denn. Ein alter Mann. Eine alte Frau.

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)