Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/208

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Wunder der spanischen Malerei zu erwähnen. Als wir in die vormalige Kirche eintraten, fühlte ich mich wie von einem Lichtstrahle geblendet, ich glaubte eine Vision zu sehen, bis ich mich nähernd überzeugte, daß es eine gemalte Madonna war, welche sich, mit dem rechten Fuße auf den Mond tretend, zum Himmel schwingt, während eine Wolke ihr linkes Bein bereitwillig unterstützt. Der ganze Himmel ist ein Lichtmeer, und um den Vollmond schweben silberne Wolken, die von der Erde aufsteigen, die himmlische Gestalt scheint vom Sturme getragen und ihr blauer Mantel wie ihr reiches goldenes Haar fliegen ausgebreitet hinter ihr her. Ihr Blick spricht Seligkeit, Erlösung und Liebe aus, ihre Hände sind an einander gedrückt, wie betend nach der Seite gewandt.

Der folgende Tag war ein Sonntag, den die Sevillaner durch ein Stiergefecht verherrlichen wollten, weshalb wir an allen Straßenecken „Corrida de Toros“ angeschlagen sahen. Herr und Madame D. freuten sich auf dieses Schauspiel, welches so berühmt ist, und auch ich war schwach genug, mein besseres Gefühl zu unterdrücken, um demselben beizuwohnen. Früh gingen wir in die Kathedrale und wohnten der Messe bei, wobei ich Gott in meiner Weise anbetete. Die Musik war trefflich und der Gottesdienst ausdrucksvoll. Auch hier hatten die Spanierinnen ihre Fächer in der Hand, was ein dumpfes Summen verursachte. Sie saßen hier alle mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden und schwangen sich mit einer eigenthümlichen Bewegung, ähnlich der eines Wiegepferdes, auf die Kniee, so bald die Klingel alle zum Beten rief.

Nachmittags fuhren wir nach dem Circus, worin die Stiergefechte gehalten werden. Die Arena ist sehr groß, mit drei Sitzreihen und zur Erde mit einem Bogenrang umgeben, welche bald alle mit Zuschauern angefüllt waren. Kurz vor Eröffnung des Schauspiels erschien der Gouverneur und die höchsten Behörden; als sie Platz genommen hatten, öffnete sich ein Thor, aus dem ein theatralischer Zug hervor kam. Voraus kamen vier Reiter in kurzen mit Flimmern besetzten Jacken, weißen anliegenden Beinkleidern, auf Pferden mit verbundenen Augen reitend. Dann kamen zwei stattliche Matadores in rothen Mänteln, Netzmützen, kurzen weißen Beinkleidern, Strümpfen und Schnallenschuhen. Diesen folgte eine Menge junger Bursche, eben so gekleidet, aber in anderen nämlich blaufarbigen Jacken mit Flimmern. Als dieser Zug die Runde