Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/304

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Emigration, zu welcher sie sich nebst ihrem Gemahl zu rechnen pflegte.

Bei all ihren glänzenden socialen Eigenschaften und ihrer wirklich vorzüglichen Fertigkeit auf dem Pianoforte im Vereine mit tüchtigen Sprachkenntnissen fand sich dennoch kein Engagement für sie, weil es ihr an Empfehlungen gänzlich mangelte, und sie andererseits durch ihr mysteriöses Auftreten das Vertrauen schwächte, was man zu einer Erzieherin durchaus von vorn herein muß fassen können. Dabei besaß sie eine fast an’s Lächerliche grenzende Sucht zu imponiren durch unermüdliche Darstellung ihrer hohen Bekanntschaften und Connexionen, sowie durch das Zurschaustellen ihrer Diamanten und ihrer äußerst kostbaren Garderobe.

Eines Tages empfing sie in meiner Gegenwart einen Brief aus Paris: Madame W… adressirt. Aergerlich über die vorlaute Zunge des Briefträgers, welchem ich diesen Namen fast mechanisch nachsprach, äußerte sie schnell, daß diese Adresse falsch sei, indem sie nicht W…, sondern W…ka heiße. Ihr ganzes Benehmen bei dieser Scene veranlaßte mich, diese unbegreifliche Namensverwechselung meinem Gedächtnisse einzuprägen.

Ich kann nicht umhin, noch nachträglich zu erwähnen, daß Madame V. nicht minder eine besondere Kenntniß des deutschen Drama’s besaß, und oft recitirte sie ganze Rollen mit beinahe künstlerischer Vollendung.

Sie bekannte sich zur römisch katholischen Kirche, gleichwohl legte sie bei jeder vorkommenden Gelegenheit eine totale Verachtung des Christenthums an den Tag; ja sie bemühte sich sogar, dasselbe lächerlich darzustellen. Empört über eine hierauf bezügliche Aeußerung ihrerseits sagte ich ihr einst, daß es mich keineswegs wundere, wenn christliche Eltern ihre Kinder einer Erzieherin von solchen Grundsätzen unmöglich auf die Länge der Zeit anvertrauen könnten. Sie war etwas bestürzt über dieses ziemlich kategorisch hingeworfene Urtheil, und wollte mir dann einreden, ich habe ihre Polemik über den christlichen Glauben theilweise mißverstanden, fügte auch zur Bekräftigung dessen die Erklärung bei, sie werde nächstdem den Versuch machen, unter der englischen Geistlichkeit als Erzieherin Posto zu fassen, und – zu diesem Zwecke nöthigenfalls auch ihre Confession wechseln.

Alle bisherigen Manöver der Madame V. im Vereine mit ihrem deutlich ausgeprägten orientalischen Typus und jenen kleinen Gewohnheiten,