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zu den Bergen, wie die Wolkenschatten ihr Spiel trieben – das alles sah ich so deutlich, schon lange vorher, ehe ich daran denken konnte, solche Sachen zu malen.

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Man sagt: „Die Kunst geht nach Brot,“ aber ich sage: „Die Kunst ist selber Brot, eine der Menschheit zu ihrem geistigen Bestehen notwendige Nahrung.“ –


Kunstbetrachtungen

Alle Kunst geht aus der Einheit der Seele hervor, und so wird sie dort, wo sie Eingang findet, auch wieder zur Einheit der Seele sprechen.

Daß der Künstler ein Suchender ist, um den passenden Ausdruck für sein Seelenbild zu finden, und daß ein Suchender auch irren kann, das müssen wir unserer Menschlichkeit schon zugestehen, und es soll schon vorgekommen sein, daß ein Künstler etwas ganz anderes gesucht und sogar auch gefunden hat, als was das kunstsinnige Publikum von ihm verlangt hat. – Denn die Wege des Lebens sind gar wunderbarlich. –

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Die Kunst ist der menschliche Ausdruck der Zufriedenheit mit den Schöpfungen Gottes und des Wohlgefallens an ihnen.

Nur der Künstler steht eigentlich so ganz kritiklos der Welt gegenüber, er staunt die Welt an, er nimmt sie, wie ein Kind sie nimmt – ihm erscheint, als ob alles gut wäre, er ist der geborene Optimist.

Die Kunst ist aller Verpflichtung enthoben, etwas erklären und deuten zu wollen am Welträtsel, das ist ihre schöne Einseitigkeit.

Wie das Kind mit seiner Puppe, der es in Liebesregung alles Leben zugesteht, der es die eigene Seele leiht, damit die Puppe lebe, so spielt vielleicht die Kunst mit allen Dingen. – Die böse Stunde der Erkenntnis, oft vom blinden Zufall herbeigeführt, bleibt keinem von ihnen erspart – sie verleitet das Kind, ein Löchlein im Leib der Puppe mit den Fingerchen größer bohrend,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)