Seite:Der Salon (Heine) III 263.jpg

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überraschte mich zunächst der Contrast seiner Sprache mit der pedantisch verlateinisirten, unerquicklichen Schreibart des 17ten Jahrhunderts, worin das Buch abgefaßt. Es war mir als hätte ich in einem dumpfen Bergschacht plötzlich eine große Goldader entdeckt, und die stolzeinfachen, urkräftigen Worte strahlten mir so blank entgegen, daß mein Herz fast geblendet wurde von dem unerwarteten Glanz. Ich ahnte gleich, aus diesem Liede sprach zu mir eine wohlbekannte Freudenstimme; ich vernahm darinn die Töne jener verketzerten Nachtigallen, die, während der Passionszeit des Mittelalters, mit gar schweigsamen Schnäblein sich versteckt halten mußten, und nur zuweilen, wo man sie am wenigsten vermuthete, etwa gar hinter einem Klostergitter, einige jauchzende Laute hervorflattern ließen. Kennst du die Briefe von Heloise an Abelard[1]? Nächst dem hohen Liede des großen Königs (ich spreche von König Salomo) kenne ich keinen flammenderen Gesang der

Annmerkungen (Wikisource)

  1. Der Briefwechsel aus der Liebesbeziehung des französischen Theologen Peter Abälard (1079–1142) zu der etwa 15 Jahr jüngeren Héloïse (ca. 1095–1164) ist heute wie zu Heines Zeit wesentlich bekannter als sämtliche sonstigen Werke Abälards. 1836 erschien in Paris Ouvrages inédits d’Abélard, herausgegeben von Victor Cousin, dem späteren Herausgeber des Gesamtwerks von Abälard. Die Authenzität des Briefwechsels wird übrigens bezweifelt.


Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Elementargeister. Hamburg: Hoffmann und Kampe, 1837, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Salon_(Heine)_III_263.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)