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Märtyrerlust in die Menschen gefahren wäre, bloß ich trau dem Frieden noch nicht so recht.“

     „Ich auch nicht,“ bemerkte Rex, „meistens Renommisterei.“

     „Na, na,“ sagte Czako. „Da hab’ ich doch noch diese letzten Tage von einem armen russischen Lehrer gelesen, der unter die Soldaten gesteckt wurde (sie haben da jetzt auch so was wie allgemeine Dienstpflicht), und dieser Mensch, der Lehrer, hat sich geweigert, eine Flinte loszuschießen, weil das bloß Vorschule sei zu Mord und Totschlag, also ganz und gar gegen das fünfte Gebot. Und dieser Mensch ist sehr gequält worden, und zuletzt ist er gestorben. Wollen Sie das auch Renommisterei nennen?“

     „Gewiß will ich das.“

     „Herr von Rex,“ sagte Dubslav, „sollten Sie dabei nicht zu weit gehen? Wenn sich’s ums Sterben handelt, da hört das Renommieren auf. Aber diese Sache, von der ich übrigens auch gehört habe, hat einen ganz andern Schlüssel. Das liegt nicht an der allgemein gewordenen Renommisterei, das liegt am Lehrertum. Alle Lehrer sind nämlich verrückt. Ich habe hier auch einen, an dem ich meine Studien gemacht habe; heißt Krippenstapel, was allein schon was sagen will. Er ist grad um ein Jahr älter als ich, also runde siebenundsechzig, und eigentlich ein Prachtexemplar, jedenfalls ein vorzüglicher Lehrer. Aber verrückt ist er doch.“

     „Das sind alle,“ sagte Rex. „Alle Lehrer sind ein Schrecknis. Wir im Kultusministerium können ein Lied davon singen. Diese Abc-Pauker wissen alles, und seitdem Anno sechsundsechzig der unsinnige Satz in die Mode kam, ‚der preußische Schulmeister habe die Österreicher geschlagen‘ – ich meinerseits würde lieber dem Zündnadelgewehr oder dem alten Steinmetz, der alles nur kein Schulmeister war, den Preis zuerkennen – seitdem ist es vollends mit diesen Leuten nicht mehr auszuhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin 1899, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_063.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)