Seite:Der Stechlin (Fontane) 210.jpg

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in Betracht kommen und allenfalls die Sozialdemokraten, wenn vom Fortschritt (was leicht möglich ist) einiges abbröckelt. Unter allen Umständen schreibe deinem Papa, daß du dich seines Entschlusses freutest. Du kannst es mit gutem Gewissen. Bringen wir ihn durch, so weiß ich, daß kein Besserer im Reichstag sitzt, und daß wir uns alle zu seiner Wahl gratulieren können. Er sich persönlich allerdings auch. Denn sein Leben hier ist zu einsam, so sehr, daß er, was doch sonst nicht seine Sache ist, mitunter darüber klagt. Das war das, was ich dich wissen lassen mußte. ‚Sonst nichts neues vor Paris.‘ Krippenstapel geht in großer Aufregung einher; ich glaube, wegen unsrer auf Donnerstag in Stechlin selbst angesetzten Vorversammlung, wo er mutmaßlich seine herkömmliche Rede über den Bienenstaat halten wird. Empfiehl mich deinen zwei liebenswürdigen Freunden, besonders Czako. Wie immer, dein alter Freund Lorenzen.“

     Woldemar, als er gelesen, wußte nicht recht, wie er sich dazu stellen sollte. Was Lorenzen da schrieb, „daß kein Besserer im Hause sitzen würde“, war richtig; aber er hatte trotzdem Bedenken und Sorge. Der Alte war durchaus kein Politiker, er konnte sich also stark in die Nesseln setzen, ja vielleicht zur komischen Figur werden. Und dieser Gedanke war ihm, dem Sohne, der den Vater schwärmerisch liebte, sehr schmerzlich. Außerdem blieb doch auch immer noch die Möglichkeit, daß er in dem Wahlkampf unterlag.

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Diese Bedenken Woldemars waren nur allzu berechtigt. Es stand durchaus nicht fest, daß der alte Dubslav, so beliebt er selbst bei den Gegnern war, als Sieger aus der Wahlschlacht hervorgehen müsse. Die Konservativen hatten sich freilich daran gewöhnt, Rheinsberg-Wutz

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_210.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)