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Diarbekir hat man jedem ein Brot gereicht und ebenso in Mardin während der 8 Tage, die wir dort lagerten, täglich ein steinhartes Brot. Unsere Kleider waren verfault, und wir alle durch die Leiden fast irrsinnig geworden. Viele wußten, als man ihnen neue Kleider reichte, nicht mehr, wie sie dieselben anziehen sollten. Als sie das erste Mal wieder badeten und sich von allem Schmutz reinigten, bemerkten viele, daß sie die Haare verloren hatten.“

Aus dem Berichte eines Missionars über das Schicksal der Deportierten aus Mersiwan.

„Böse Taten werden im Finstern vollbracht. Kurz nach Mitternacht holten die Gendarmen etwa 300 Gefangene heraus, banden ihre Hände, verboten ihnen irgendwelche Vorräte oder Kleider oder Betten mitzunehmen. Angeblich sollten sie nach Amasia gehen, aber ¾ Stunden weit, auf dem Wege nach Zileh (Zela), – dem berühmten Orte, von dem Julius Cäsar seine Botschaft: „veni, vidi, vici“ nach Rom sandte – wurden sie alle mit Äxten erschlagen. Tag für Tag wurden sie in dieser Weise „verschickt“. Den Aussagen der Beamten nach wurden in dieser Weise 1215 Männer getötet. Nach dem Zeugnis von türkischen Augenzeugen war an dem Hinrichtungsort ein großes Zelt aufgerichtet worden, wo die Opfer aufs genaueste ausgefragt und durchsucht wurden. Die Fragen, die man stellte, waren hauptsächlich[WS 1] nach Waffen, angeblichen revolutionären Plänen und Namen von Personen. Dann wurden ihnen alle wertvollen Dinge, die sie besaßen, weggenommen.

In einiger Entfernung vom Zelt war eine große Grube gegraben. Die Gefangenen wurden jeweils etwa fünf herangeführt, nur in ihrer Unterkleidung, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, dann knieten sie hin und wurden durch Axtschläge auf den Kopf oder durch Dolchstiche ins Jenseits befördert. Das ist von Augenzeugen konstatiert worden, auch von Gendarmen, die an der blutigen Arbeit selbst teilgenommen haben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hauptächlich
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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)