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Einfluß von Enver Pascha, einen Freund, zu retten. Dr. Heiranian, einer der Mitbegründer unserer Deutsch-Armenischen Gesellschaft, Arzt und Philosoph, von friedfertigem und nachdenklichem Wesen, von großer Güte und zartestem Gemüt, war kurz vor dem Kriege in seine Heimat Divrigi im Wilajet Siwas zurückgekehrt und hatte Frau und Kind in Berlin zurückgelassen, um seine hochbetagten Eltern noch einmal wieder zu sehen. Der Ausbruch des Krieges hatte ihn veranlaßt, sich als Militärarzt zum Lazarettdienst zu stellen. In Siwas richtete er besondere Kurse für Ausbildung von Pflegern ein, hatte viele Verwundete und an Seuchen erkrankte Türken gepflegt und war selbst dabei am Typhus schwer erkrankt, aber wieder genesen. Die Armenierverfolgung setzte ein und der Wali von Siwas warf ihn mit allen armenischen Hilfsärzten ins Gefängnis, während das armenische Pflegepersonal deportiert wurde.

Ich bat Enver Pascha, ehe ich mich verabschiedete, mir noch einen persönlichen Dienst zu leisten, und trug ihm den Fall von Dr. Heiranian vor, mit der Bitte, seine Freilassung und Rückbeförderung nach Deutschland zu erwirken. Ich verbürgte mich persönlich für meinen Freund, daß ihm jede unbesonnene Handlung fern liege und daß er seine Freilassung auf keine Weise mißbrauchen würde. Enver Pascha versicherte mir, daß es ihm eine Freude sein würde, meinen Wunsch zu erfüllen, daß er aber zuvor beim Wali von Siwas anfragen müsse, was gegen Dr. Heiranian vorläge. Ich sagte, daß nichts anderes gegen ihn vorläge, als gegen alle armenischen Ärzte, die verhaftet worden seien, nämlich, daß er Armenier sei. Enver Pascha versicherte mir noch einmal, daß wenn die Antwort irgend es erlaubte, er für die Heimkehr meines Freundes sorgen würde.

Die Liebenswürdigkeit, mit der mich Enver Pascha verabschiedete, hatte wenigstens die eine Hoffnung in mir genährt, daß ich meinen Freund würde retten können. Nach Deutschland zurückgekehrt, erhielt ich durch Korvettenkapitän Humann die Antwort, daß der Bericht aus Siwas über

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite XVIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)