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Die Führer der Daschnakzagan waren immer noch der irrigen Meinung, daß es sich bei all dem, was vorgegangen war, um etwas wie einen Irrtum handeln müsse. Aber die Gründe, mit denen die Daschnakzagan die Regierung von der Unnatürlichkeit und der Unvernunft ihres Vorgehens zu überzeugen suchten, konnten keinerlei Eindruck mehr erzielen. Die Vorstellung, daß „die Beziehungen“ zwischen Türken und Armeniern „gestört“ werden würden, konnte die Regierung wirklich nicht rühren, da sie ja die Absicht hatte, das ganze armenische Volk zu zerstören, so daß von Beziehungen überhaupt nicht mehr die Rede sein konnte. Es war aber begreiflich, daß die Armenier, da sie sich keiner Illoyalität gegen die Regierung bewußt waren, erst aus ihren Illusionen herausgerissen wurden, als durch die allgemeine Deportation klar geworden war, welchen Sinn die Verschickung der Intellektuellen von Konstantinopel und die gleichzeitigen Verhaftungen von Notabeln in allen Zentren des Innern hatte.

Da man sich von verschiedenen Seiten für Wartkes und Sohrab verwendete, wurde ihren Angehörigen versprochen, beide wieder zurückzurufen. Die Verwendung hatte aber nur die Folge, daß Wartkes und Sohrab von Konia nach Adana, von Adana nach Aleppo und von Aleppo nach Diarbekir weitertransportiert wurden. Eines Tages wurde der Frau von Sohrab telephonisch von der Pforte mitgeteilt, ihr Mann sei gestorben. Von Wartkes wurde behauptet, er habe sich das Leben genommen.12) Über das Schicksal der übrigen Intellektuellen von Konstantinopel hat man nichts mehr gehört.

Das Damoklesschwert der Verschickung hing über den Armeniern der Hauptstadt.

Am 29. April wurde die armenische Bevölkerung von Konstantinopel aufgefordert, alle Waffen abzuliefern, was ohne Zwischenfall oder Störung der Ordnung innerhalb zehn Tagen geschah. Während des Balkankrieges hatte man nur Gewehre und Revolver abverlangt, jetzt auch alle


[Ξ] 12)

Wartkes wurde zusammen mit Sohrab auf dem Wege von Urfa nach Diarbekir durch die begleitenden Gendarmen auf Befehl der Regierung ermordet. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. 109.

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/232&oldid=- (Version vom 31.7.2018)