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Die Armenier seien für ihre nationalen Aufgaben auf die Erhaltung der türkischen Souveränität angewiesen. Der Sekretär des armenischen Komitees in Moskau K. B. Kussikjan erklärte, die innere Gestaltung von Türkisch-Armenien sei Sache der türkischen Armenier und könne nicht nach russischen Wünschen geordnet werden. – Zuletzt griff der Kadettenführer Miljukow im „Rjetsch“ in die Diskussion ein und machte den armenischen Politikern zum Vorwurf, daß sie keineswegs nur aus taktischen Gründen mit Rücksicht auf ihre armenischen Brüder in der Türkei die Erhaltung der Souveränität der Türkei für Türkisch-Armenien wünschten, es sei vielmehr ersichtlich, daß sie im Interesse ihres nationalen Programms für die Erhaltung der Türkei einträten. „Ich sehe mich zu der Schlußfolgerung gezwungen“, sagte Miljukow, „daß die Idee der Erhaltung der türkischen Souveränität kein zufälliger und vorübergehender, sondern ein innerlich begründeter und dauernder Bestandteil des nationalen Programms (der Armenier) ist. Ich sage offen, ich betrachte diesen Standpunkt, sowohl für die armenischen, als auch für die russischen Interessen als schädlich und gefährlich und halte eine entsprechende Revision des nationalen Programms der Armenier für unbedingt notwendig.“

Aus diesen Worten ist ersichtlich, daß zwischen den russischen und armenischen Wünschen durchaus kein Einverständnis herrschte. Das nationale Programm der Daschnakzagan wollte und will selbst heute noch die Erhaltung der Türkei unter der Souveränität des Sultans, unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß das zertrümmerte armenische Volk wiederhergestellt wird und seine geraubten Güter zurückempfängt.22) Dies Programm steht dem großrussischen Expansionswillen im Wege; seine Vereitelung ist notwendig, um die russischen Wünsche zu erfüllen. Die Aufgabe der türkischen Politik wäre es gewesen, sich das grundsätzliche Widerstreben der türkischen Armenier


[Ξ] 22)

Wäre die Türkei siegreich aus dem Krieg hervorgegangen, so wäre allerdings nicht daran zu denken gewesen, daß der Raub des gesamten Nationalgutes des armenischen Volkes wieder rückgängig gemacht worden wäre. Auch jetzt wird es schwer sein, auch nur einen beträchtlichen Teil der beweglichen Habe den Dieben und Räubern, die daß Gut schon längst verschleudert haben werden, zu entreißen.

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/271&oldid=- (Version vom 31.7.2018)