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„das zu einem sehr großen Teile aus friedlichen, arbeitsamen und tüchtigen Elementen besteht.[1] „Die Armenier in dem Gebiet des Wansees, in dem Quellgebiet des Euphrat und Tigris, in den Tälern des Taurusgebirges“, nennt er sogar „die intelligentesten und fleißigsten Ackerbauer der Türkei“. Leider hat die türkische Regierung gerade diese „friedlichen, arbeitsamen und tüchtigen Elemente“ aus ihren Wohnsitzen ausgetrieben und „die intelligentesten und fleißigsten Ackerbauer der Türkei“ vernichtet. In den 6 östlichen Wilajets beträgt das armenische Element nicht, wie Bratter angibt, 16 sondern 25 %. Im eigentlichen „Armenien“, wenn man von den kurdischen Randgebieten dieser Wilajets absieht, 39 % (zusammen mit den ebenfalls vernichteten Syrern 43,6 %) der Bevölkerung. Die Unglücksgeschichte von Jahrhunderten ist keineswegs in den „inneren Streitigkeiten“ des armenischen Volkes begründet, sondern, wie schon ein flüchtiger Überblick über die Geschichte lehrt, von der geographischen Lage bedingt. Zwischen mächtigen Weltreichen eingekeilt und abwechselnd unterjocht, von Mongolen- und Tartareneinfällen überschwemmt, hat Armenien niemals gute Tage gesehen. Die Behauptung, daß „die hartnäckigsten Feinde der armenischen Reformen die Armenier selbst seien“ und „daß der ganze große Anhang der Revolutionskomitees sich heftig jedem Reformversuch widersetze und im Volke, teilweise durch Todesdrohungen, gegen jeden solchen Versuch Stimmung mache“, ist eine lächerliche Erfindung.


  1. Natürlich fehlen auch bei Bratter „die vielfach als Betrüger und Wucherer verschrieenen armenischen Kaufleute“ nicht. Die Tatsache daß unsere Großbanken und Exporteure ihr Hauptgeschäft in der Türkei mit armenischen Kaufleuten machen und ihnen die größten Kredite einräumen, sollte eigentlich genügen, diese Reporterlegende aus der Welt zu schaffen. Da die „serbischen Hammeldiebe“ und die „armenischen Gauner“ schon seit Jahrzehnten den eisernen Bestand der Orientkenntnisse unwissender Reporter bilden, wäre es an der Zeit, daß diese unwürdigen Beschimpfungen ganzer Nationen endlich aus der Presse verschwinden.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/325&oldid=- (Version vom 31.7.2018)