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waren, wurden sie oft noch auf dem Transport abgesondert oder bei organisierten Überfällen in erster Linie abgeschossen. Die Folge dieser Maßregeln war, daß, was von den deportierten Menschenmassen an den Bestimmungsorten ankamen, auf mehr als die Hälfte reduziert war. Die Karawanen, die im Norden aufbrachen, bestanden, wenn sie im Süden anlangten, größtenteils nur aus Kindern unter 10 Jahren und aus älteren Frauen, Kranken und Greisen. Die Männer und Knaben waren getötet, die Mädchen, jungen Frauen und zahllose Kinder geraubt. Der Rest ist ein hilfloses, dem Elend preisgegebenes Bettlervolk, das in den mesopotamischen Wüsten und Sumpfgebieten durch Hunger und Krankheit zu Grunde geht.

Seit dem 21. April, au dem die Verhaftung der Notabeln einsetzte, wurde die Gesamtdeportation vorbereitet. Die Ausführung der Deportation in größerem Stil begann um die Mitte des Mai. Die ersten Deportationen fanden im Wilajet Erzerum, in den Gebieten von Baiburt, Terdjan und Chinis statt. Verschiedene Ursachen scheinen in einzelnen Wilajets noch einen Aufschub herbeigeführt zu haben. Einzelne Walis und Mutessarifs sträubten sich gegen den Befehl. Selbst die türkische Bevölkerung erhob hie und da Einspruch. Da die Zentralregierung entschlossen war, die Maßregel der Deportation durchzuführen, wurden widerstrebende Beamte, selbst Walis, Mutessarifs und Kaimakams abberufen und durch willigere Werkzeuge, meist Mitglieder der jungtürkischen Komitees, ersetzt. Ende Juni und Anfang Juli setzt a tempo die Massendeportation in den Wilajets Siwas, Trapezunt und Kharput ein. Der Wali von Erzerum, der ebenso wie der Wali von Aleppo die Deportationsmaßregel mißbilligte, lehnte es nach anfänglichen Verschickungen, die die Vernichtung

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)