Harald ging gutmütig auf das Thema ein und meinte, es sei gut, wenn man bei nervöser Schlaflosigkeit einen Fensterflügel etwas offen ließe …
„Oh – das tat ich auch die ersten drei Nächte, Herr Harst,“ nickte das Fräulein …
„Und weshalb nachher nicht mehr?!“
„Weil … weil, – – oh, Sie werden mich auslachen …“
Und dann kam das, was ich schon erwartet hatte … Der Umschwung – – das Neue …
Fräulein Charlotte Gulber wiederholte … „Ja auslachen, meine Herren! Denn – vor dem offenen Fenster hatte ich Angst bekommen …“
„Und – weshalb?“ fragte Harald begierig …
„Weil … weil ich in der dritten Nacht trotz meines Schlafpulvers aufwachte … Ich hatte das Gefühl, als ob jemand im Zimmer sei … Aber – es war eine Täuschung … Nur vor dem Fenster auf den Dielen fand ich ein paar feuchte Stellen … Und die kamen mir wie Spuren vor … Natürlich Unsinn …! Es regnete in jener Nacht, und ich selbst werde, da es etwas eingeregnet hatte, diese Spuren mit meinen Pantoffeln hervorgerufen haben …“
Harst sagte freundlich: „Wir lachen durchaus nicht über Ihre Ängstlichkeit, Fräulein Gulber. Es war jemand im Zimmer … – Wie hatten Sie den offenen Fensterflügel befestigt?“
„Offen – nur drei Finger breit, Herr Harst … Papier hatte ich dazwischen geklemmt und die Fensterknöpfe mit Bindfaden umwickelt … So konnte der Flügel sich nicht bewegen …“
„Konnte aber bewegt werden, wenn jemand von draußen den Bindfaden lockerte … – Inwiefern hatten Sie nun das Gefühl, daß jemand im Zimmer sei …?“
Max Schraut: Der rätselhafte Gast. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_r%C3%A4tselhafte_Gast.pdf/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)