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ist todt! Schicksal, ich trotze dir: der Jude muss sterben, und sollten ihn meine Offiziere meuchlings erwürgen!

Der Abend bricht an: Offiziere und ihre Bedienten in Blousen schaaren sich unter dem Banner Muckenschnabels, eines bekannten ganz à propos entlassenen Züchtlings; sein ganzer Anhang aus dem „Dörfle,“ die Männer mit Stöcken, Aexten und Vitriolkrügen, die Huren, die man in der Eile angeworben, mit Steinen beladen, folgen dem grossherzoglichen Offizierskorps. Die Patrouille und der Zapfenstreich erhalten Ordre, heute nicht ihren gewöhnlichen Weg am Haber’schen Hause vorbei zu machen, in einem Bierhause dicht bei der Kaserne wird die Rotte auf den Mililäretat zum heiligen Kampfe mit Bier begeistert; noch eine rührende Scene: die Offiziere drücken ihre Stiefelputzer und die Metzen ihrer Soldaten an die racheglühende Brust, Muckenschnabel weint Freudenthränen in den Armen eines ängstlichen Lieutenants, und unter dem Feldgeschrei: „Hepp, hepp!“ „vor dem Grossherzog sein Ehr’!“ „Uf die Judeh–“ stürzt sich die Bande auf von Habers Haus! Der untere Stock wird zerstört, alles zerschlagen, Kisten und Schränke erbrochen, die Familie hatte sich versammelt, von Haber rettet sich durch das Hinterhaus, und die Bande, der das Revolutioniren ansteht, zieht noch gegen einige andere Judenhäuser! Die regierende Adelsparthei, Blittersdorf an der Spitze, die von allem nichts geahnt, hat Angst vor Metternich, und wie vor dem Bunde der Unfug zu entschuldigen; man steckt drum zur Sicherheit von Haber ein, proklamirt sofort, das Volk habe von Göler rächen und eine Demonstration gegen die Judenemancipation machen wollen! Das scheint sogar den Herren Liberalen plausibel, und im ersten Freudentaumel halten sie die Revolution für eine Demonstration des Volkes gegen die in Haber personifizirte Legitimität!! Wie unschuldig! Markgraf Wilhelm, obgleich er gut gespielt, zerplatzt fast vor Wuth, dass ihm der Jude wieder entkommen; der spanische Hetzhund keift von Neuem gegen das verjagte Opfer, er verfolgt es auf seiner Flucht – das Schicksal ist schlecht von der Ehre der badischen Herrscherfamilie überzeugt – die deutsche Wochenzeitung geht unter, und von Haber erschiesst seinen Feind.

Während des Verlaufes der ganzen Tragödie verliert das Staatsoberhaupt keinen Augenblick seine gewohnte Würde; der in Leopolden verkörperte Staat trinkt ruhig seinen Champagner weiter und behält seine vollständige Neutralität. – Tags nach der Zerstörung des Judenhauses fährt er seit Langem zum ersten Male an der

Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Cœlestin Bernays: Zeitungsschau. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)