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Gelehrten lassen „die Jahrbücher der Gegenwart“ eingehn und stiften eine „Revue der Vergangenheit,“ welches Journal die Tendenz haben soll, zu beweisen, dass Altwürttemberg noch immer die Welt ist. Der König von Preussen stiftet eine Gallerie berühmter Männer und hat zu dem Ende den Paul Veronese von der Dresdner Gallerie gekauft, aus welchem eine weisse Dogge hervorschaut, die prophetisch die Züge des grossen Schelling anticipirt hat. Dies Portrait des Philosophen, welches zugleich einen selbständigen Kunstwerth hat, wird die Gallerie eröffnen. Ein zweites Bild, welches Schelling abbildet, wie er mit dem Bettelsack voll Jacob Böhm u. s. w. die Offenbarungsphilosophie in die Metropole deutscher Wissenschaft bringt, und ein drittes, welches ihn als beliebten Kinderschriftsteller darstellt, wird folgen. Hiemit soll es vorläufig genug sein, bis erst jüngere Christen Schellings Ruf erreicht haben. Uebrigens klagt man allgemein in Preussen, dass die Frommen sich zu sehr durch Staatsgeschäfte zerstreuen, und dass daher wenig Aussicht auf Fortsetzung der Gallerie berühmter, gottgefälliger Männer vorhanden sei. Die Berliner sagen:

Ihr unterbrecht zu oft den Gottesdienst, heilige Maenner:
Macht das Gebet permanent! dann hat die Welt vor Euch Ruh.

Die Zeitungen haben nun über alle diese Symptome der deutschen Geschichte schlecht berichtet. Sie scheuen sich den Uebergang vom Denken zum Phantisiren, vom Philosophiren zum Leben entschieden mitzumachen. Hinter der Kabinetsordre, die den Schwanenorden im Stil eines Gebets und einer christlichen Predigt wieder einsetzt, fährt die Staatszeitung ohne Begeisterung in ihrem alten Stil fort. Die Männer des Fortschritts, die beiden deutschen Könige, scheinen nicht die warme Unterstützung zu finden, die sie in Anspruch nehmen möchten. Ebensowenig ist das socialistische Princip, „auf dem Wege der Bildung von Vereinen, physische und moralische Leiden zu lindern,“ welches der König an die Spitze seiner Rede stellt, gewürdigt worden. Der König hat in seiner kurzen Regierung schon die Erfahrung gemacht, wie wenig mit dem Staat, diesem grössten und darum plumpsten Vereine, dem er selbst vorsteht, anzufangen ist: er stiftet deswegen jetzt kleinere, handliche, niedliche Vereine; und der Schwanenorden, der „das Bekenntniss der christlichen Wahrheit durch die That“ will, ist offenbar das, was man sonst den christlichen Staat nennt. Er wird die ganze Staatsgesellschaft in sich hineinziehen und sie so überflüssig machen.

Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Cœlestin Bernays: Zeitungsschau. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)