Seite:Deutscher Liederhort (Erk) 083.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
19.
„Steh auf, steh auf, lieb Reitknecht mein,

sattel mir und dir zwei Pferde!

20.
„Wir wollen reiten Tag und Nacht,

bis wir den Traum erfahren.“

21.
Und als sie über die Heid naus kamn,

hörten sie ein Glöcklein lauten:

22.
„Ach reicher Gott vom Himmel herab,

was mag doch dies bedeuten?“

23.
Und als sie vor die Stadt Augsburg kamn,

wol vor die hohen Thore,

24.
Da brachten sie eine Leiche getragn

auf einer Todtenbahre.

25.
„Setzt ab, setzt ab, ihr Träger mein!

die Leiche will ich beschauen;

26.
„Es möcht mein Herzallerliebste sein

mit ihrn schwarzbraunen Augen.“

27.
Er deckt ihr auf das Leichentuch

und sah ihr unter die Augen:

28.
„Du bist fürwahr mein Schatz gewest,

und hasts nicht wollen glauben!“

29.
Er deckt ihr auf das Leichentuch

und schaut ihr auf die Hände:

30.
„Du bist einmal mein Schatz gewest,

nun aber hats ein Ende!“

31.
Er deckt ihr auf das Leichentuch

und schaut ihr auf die Füße:

32.
„Du bist einmal mein Schatz gewest,

nun aber schläfst du süße!“

33.
Er zog heraus sein blankes Schwert

und stach sich in sein Herze:

34.
„Hast du gelitten Angst und Pein,

so will ich leiden Schmerzen!

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_083.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2019)