Seite:Deutscher Liederhort (Erk) 386.jpg

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Damit nun will Herr B. die Melodie so vorgeführt haben, „wie sie wol von Hause aus war.“ Oder auch nicht, möchte ich hinzusetzen. Könnte sich unser „Rüstkämmerer“ denn nicht auch schon aufs „Korrumpieren“ verstanden haben? Ja, ich habe sogar Grund anzunehmen, daß die Melodie schon um 1683 im Volksmunde gelebt und ursprünglich einem ganz andern Liede, als dem in Rede stehenden, angehört haben könnte. In dem oben genannten „Bergliederbüchlein“ (Liederhort S. 116.) kommt nämlich auf S. 59, unter Nr. 48, ein Lied vor, dessen Str. 12 also lautet:

„Als Chursachsen das vernommen,
daß der Türk vor Wien gekommen,
rüst er seine Völker bald;
thät sich eilend dahin machen,
da man hört das Pulver krachen;
da wurden viele Bluthunde kalt.“

Und davon, meine ich, könnte vielleicht unser „Prinz Eugenius“ eine Nachbildung sein.

Ferner wird von Herrn B. behauptet, daß meine Melodie „lahm und schleppend dahin schleiche.“ Im Gegentheil! den lahmen und schleppenden Charakter aus der ältern Aufzeichnung, wenn anders sie für die ursprüngliche gelten kann, was jedoch noch zu beweisen wäre, hat das Volk beseitigt durch Aufnahme des lebendigern 5/4-Takts. Auch sollte man meinen, daß der, welcher „schleppt“ und „lahm“ einherschreitet, sich weit mehr dem auf sechs Viertel ausgedehnten Takte des Herrn B., als dem meinigen von nur fünf Vierteln zuwenden müßte. Einzig nur aus der ältern Aufzeichnung fühlt man den „lahmen“ Großvatertanz heraus, und nur in der neuern Form macht sich der frische, naturkräftige Gesang geltend. Wem markierte sich z. B. nicht gleich bei dem Worte „Ritter“ schon der sattelfeste Reiter! Man singe statt der einleitenden Achtel- eine Viertelnote, und die lächerliche Wirkung wird nicht ausbleiben. Und vollends, wer erträgt die sehr geschmacklose Dehnung der Wörter: Brucken und rucken? – In meinem „Liederhort“ habe ich mir zur Aufgabe gestellt, die Melodien genau so aufzuzeichnen, wie sie gegenwärtig noch im Munde des Volks leben. Meine Autorität ist somit das Volk und nicht die Aufzeichnung aus irgend einer „musicalischen Rüstkammer“ (deren Werth ich in gewisser Hinsicht nicht gerade verachten und schmälern will); und sollte es etwa, mit Bezug auf vorliegenden Fall, für nöthig erachtet werden, für die Richtigkeit meiner Aufzeichnung im „Liederhort“ noch eine weitere Gewähr zu geben: so dürften sich aus der k. preuß. Armee wol leicht und ohne große Mühe 100,000 Gewährs- oder Gewehrsmänner herausfinden lassen, die mir meinen „Malakoffthurm“ wol nicht preisgeben würden. Um übrigens den Ausspruch des Herrn B., daß sich der „eigentliche Naturgesang stets (nur) in dem geraden oder ungeraden Takt, nie(!) aber in einem solchen, der gleich dem benannten (5/4-Takt), nicht leicht aufzufassen wäre (?) etc. da die Menge der leichten Taktglieder (Takttheile?) das erste und schwere Takttheil (nimmt denn Herr B. gar keine Mittelzeit an?) vergessen lassen.“ – um diesen Ausspruch, sage ich, zu entkräften, wird es wol nur eines flüchtigen Blicks in unsere bessern Volksliedersammlungen, aber keiner Bombe bedürfen, und sei hiermit also das Pulver bis auf Weiteres verspart!

Bemerkenswerth ist auch noch die Thatsache, wie sehr sich selbst namhafte Musiker an dieser Melodie abgequält haben, um den einfachen Gesang in – Noten einfach und natürlich wiederzugeben. In den meisten Liedersammlungen findet sich der „edle Ritter“ in der Regel nur als „Ritter von der traurigen Gestalt“ auf- und eingezeichnet und kommen einem die Aufzeichnungen vor, wie wenn sie den eben aus dem Türkenkrieg wiederkehrenden „Eugenius“ halb aufgespießt zurückbrächten.

Wegen des richtigen Unterlegens des Textes unter die Noten, gegen das sogar ein Silcher (Volksl. H. 1, Nr. 11.) vielfach verstoßen, verweise ich auf meine „Volksklänge. 4. Lief. Berlin, 1854.“ Nr. 64.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_386.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2018)