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Der Kampf um deutsche Kultur.

Der Kampf um den Boden, der seinem Wesen nach ein Kampf um die ausreichende Durchsetzung des Ostlandes mit deutschen Menschen ist, wird immer das A und O unserer nationaldeutschen Politik im Osten sein. Der Kampf um deutsche Kultur und Bildung, vor allem um die deutsche Sprache, muß ihm zur Seite stehen. Wir wollen gewiß dem Polen die Muttersprache nicht nehmen, aber wir müssen dahin wirken, daß er sich mit der deutschen Sprache den Weg zum Verständnis deutschen Geisteslebens gewinnt. Mit der Ansiedelungspolitik kämpfen wir um das Deutschtum im Osten, mit der Schulpolitik im Grunde um das Polentum, das wir dem deutschen Geistesleben einzugliedern wünschen. Ohne Schärfen geht es auch hier nicht, und sie werden zunehmen oder sich mildern, je nachdem die Polen ihren Widerstand verstärken oder vermindern. Die Gründung der deutschen technischen Hochschule im Jahre 1904, zuvor der Kaiserlichen Akademie in Posen 1903 schuf Zentren deutschen Geisteslebens in den Ostlanden, die hoffentlich ihre werbende Kraft allmählich erweisen.

Ergebnisse der Ostmarkenpolitik.

Der preußischen Ostmarkenpolitik hat es niemals an heftigen Kritiken gerade auf der deutschen Seite gefehlt. Das scheinbar beweiskräftigste Argument der Kritik ist die Behauptung, unsere Ostmarkenpolitik habe zu greifbaren Ergebnissen nicht geführt, da ja nach beinahe zwanzigjähriger Ansiedelungspolitik heute das prozentuale Verhältnis zwischen der deutschen und polnischen Bevölkerung in den Ostmarken noch nicht wesentlich verändert ist. Da dies aber das von Bismarck gesetzte Ziel gewesen sei, müsse unsere Ostmarkenpolitik, insbesondere das Ansiedelungswerk als gescheitert angesehen werden. Es ist richtig, daß wir das Ziel unserer Ostmarkenpolitik noch nicht annähernd erreicht haben. Nur wenn wir auf dem von Friedrich dem Großen vorgezeichneten, von Bismarck neu begangenen Wege ohne kleinliche Schikanen, ohne ungeschickte Brutalitäten, aber zielbewußt und vor allem konsequent vorgehen, dürfen wir hoffen, unsere nationale Aufgabe im deutschen Osten in langer Zeit erfüllen zu können. Was uns in unserer Ostmark vor allem nottut, ist Stetigkeit. Als ich im Jahre 1902 in Posen weilte, sagte mir der Generallandschaftsdirektor und langjährige konservative Reichstagsabgeordnete v. Staudy, bei dem ich abgestiegen war, am Schluß einer längeren Unterredung über ostmärkische Dinge: „Und nun nur noch eins: Stetigkeit! Darauf kommt es hier an; nichts hat uns so sehr geschadet als unser Schwanken, daß wir immer wieder umfielen. Jetzt durchhalten!“ Die vor einem Jahrtausend begonnene, vier Jahrhunderte unterbrochene, seit noch nicht drei Jahrzehnten im deutschen Osten neu aufgenommene deutsche Kolonisationsarbeit kann in wenigen Jahren nicht zum Abschluß gebracht werden. Es handelt sich hier nicht um einen politischen Entschluß gewöhnlicher Art, dem alsbald Gelingen oder Mißlingen folgt, sondern wir befinden uns inmitten einer weltgeschichtlichen Entwicklung, an der Generationen um Generationen mitzuwirken haben. Wird unsere nationale Arbeit im Osten in diesem großen Zusammenhange als eine Entwicklungsetappe angesehen, so dürfen wir sagen, daß uns der Erfolg nicht versagt geblieben ist. Es sind in den Jahren von

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)