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und der Betriebsabteilung der Militärbahn zu 3 Kompagnien bestehen. Doch wurden diese Organisation und die übrigen durch das Gesetz vorgesehenen Maßnahmen am 1. Oktober nur zum Teil durchgeführt. Es blieben noch zu bilden: 1 Infanteriebataillon, 4 Maschinengewehrkompagnien aus 4 dergleichen Abteilungen, 38 fahrende Batterien unter Verwendung von 20 reitenden, 7 Fußartilleriebataillone unter Anrechnung von 3 bereits bestehenden provisorischen Bataillonen, die im Frühjahr 1911 aufgestellt worden waren, 10 Bespannungsabteilungen, 1 (bayerische) Pionierkompagnie, 1 Eisenbahn-, 1 Telegraphenbataillon und 22 Trainkompagnien. Das kam einer Kopfzahl von 460 Offizieren, 1300 Unteroffizieren und 8068 Mann gleich. Die Stärke der Armee betrug daher ohne Sanitäts- und Veterinäroffiziere, Beamte, Einjährig-Freiwillige und Handwerker: 25 880 Offiziere, 88 292 Unteroffiziere, 507 253 Gemeine, 118 246 Pferde, 738 Maschinengewehre und 3072 Geschütze.

Politische Krisis 1911.

Mittlerweile war im Sommer 1911 eine schwere politische Krisis eingetreten. Da Frankreich die bezüglich Marokkos bestehenden Verträge nicht achtete, sandte Deutschland zur Wahrung seiner Rechte ein Kriegsschiff nach Agadir und rief dadurch die Eifersucht Englands in die Schranken, das nunmehr drohend gegen Deutschland auftrat. Die deutsche Nation forderte einmütig eine kraftvolle Zurückweisung der gegnerischen Anmaßung; die Regierung aber wollte es wegen Marokkos nicht zum Kriege kommen lassen und schloß ein Abkommen mit Frankreich, dem es gegen eine mäßige Entschädigung im französischen Kongo und einige Handelsgarantien das scherifische Reich und damit einen gewaltigen Machtzuwachs völlig überließ.

Immerhin hatte die drohende Kriegsgefahr zu der Einsicht geführt, daß die durch das Gesetz von 1911 festgesetzte Heeresverstärkung der Gefahr der Lage nicht entspräche, und eine weitere Vermehrung der Streitkräfte erforderlich sei. Auch für die Flotte schien eine größere Schlagfertigkeit wünschenswert. So traten die Forderungen für das Heer und die Marine abermals in Wettbewerb und wirkten lähmend in beiden Richtungen. Bei der Marinevorlage handelte es sich allerdings im wesentlichen um eine Organisationsänderung; aber es wurde doch auch ein weiteres Linienschiff gefordert und die Zahl der zu bauenden Unterseeboote gesetzlich festgelegt. Eine beträchtliche Personalvermehrung war die notwendige Folge.

Heeres-Vorlage 1912.

Trotzdem sich die hierdurch bedingten finanziellen Ansprüche in verhältnismäßig bescheidenen Grenzen bewegten, und trotz der Kriegsdrohungen überlegener Feinde, die dem Sommer 1911 sein Gepräge gegeben hatten, glaubte die Heeresverwaltung auch dieses Mal wieder, sich mit verhältnißmäßig geringen Anforderungen begnügen zu können, die der Kriegsminister als ausreichend bezeichnete.

Es sollten zunächst 2 neue preußische Armeekorps aus größtenteils vorhandenen Truppenteilen errichtet und außerdem neu gebildet werden: 17 Infanteriebataillone, 6 Eskadrons, 41 Batterien, 4 Pionier-, 1 Verkehrs- und 2 Trainbataillone. Die Friedenspräsenzstärke

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/386&oldid=- (Version vom 14.9.2022)