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1 Kavallerie- und 1 Artilleriebrigade, 1 Jäger-, 1 Pionier- und 1 Trainbataillon. Auch nach der Durchführung des Gesetzes von 1912 behielten jedoch 6 Armeekorps 5. Infanteriebrigaden; 18 Regimentern fehlten die 3. Bataillone; 4 bayerischen Kavallerieregimentern die 5. Eskadrons. Auch war ein Kavallerieregiment zu wenig vorhanden und Jäger gab es überhaupt nur 18 Bataillone. Bei mehreren Korps waren Bekleidungsämter nicht eingerichtet. Auch waren noch manche andere Lücken zu schließen. Der Train blieb nach wie vor ungenügend organisiert, vielen Pionierbataillonen fehlten die Scheinwerferzüge. Auch eine einigermaßen gleichmäßige Formation der Fußartillerie war nicht erreicht.

Wenn somit in mancher Hinsicht die Armee damals als unfertig bezeichnet werden mußte, so befand sie sich andererseits, was Ausrüstung und Bewaffnung anbetraf, durchaus auf der Höhe moderner Anforderungen. Das ist auch heute noch der Fall.

Bewaffnung.

Die Infanterie ist mit einem Gewehr Modell 98 ausgerüstet, das als eine wesentliche Verbesserung des Gewehres 88 gelten kann. Bei einem Kaliber von 7,9 mm und zweckmäßiger Packladung führt es ein spitzes S-Geschoß und erreicht eine Anfangsgeschwindigkeit von 885 sm, die teils durch die Form und Leichtigkeit des Geschosses, teils durch eine relativ starke Ladung und ein verbessertes rauchschwaches Pulver erreicht worden ist. Kein Gewehr einer anderen Armee ist dieser Waffe überlegen. Kavallerie und Fußartillerie sind mit einem Karabiner gleicher Konstruktion und fast gleicher Leistungsfähigkeit, die Kavallerie ist außerdem mit Stahlrohrlanzen bewaffnet; die Feldartillerie erhält eine Selbstladepistole mit einem Neunpatronenmagazin im Griff und einer Tragweite von 1500 m bei nur 21,7 cm Länge. Das eingeführte Maschinengewehr, nach dem System Maxim, ist als Selbstlader konstruiert und ermöglicht eine Feuergeschwindigkeit von 600 Schuß in der Minute.

Bei der Feldartillerie wurden nach Einführung des rauchschwachen Pulvers 1889 zunächst einige Verbesserungen an dem vorhandenen Material vorgenommen. Beim Schrapnell wurde der Doppelzünder eingeführt, bald darauf die Sprenggranate, die sich jedoch wenig bewährte; 1892 kamen eine selbsttätige Seilbremse und die Richtfläche hinzu, die das Schießen aus verdeckten Stellungen erleichterte, 1893 ein neues leistungsfähigeres Schrapnell. Mittlerweile war die Frage des Schnellfeuergeschützes eine brennende geworden; es kam dabei vornehmlich auf die Beseitigung des Rücklaufs an. Dieser Zweck konnte entweder dadurch erreicht werden, daß der Rücklauf der Lafette durch einen Sporn gehemmt wurde oder durch eine Vorrichtung, vermöge deren das Rohr auf der unteren Lafette beim Schuß zurückgleiten und selbsttätig wieder vorgeführt werden konnte. In Frankreich entschied man sich für das letztere System, in Deutschland zunächst für das erstere. Es wurde ein entsprechend konstruiertes Geschütz, Modell 1896, eingeführt. Auch wurden die Richtmittel wesentlich verbessert. Bald jedoch sah man sich veranlaßt, zu dem zweiten System überzugehen, zugleich nach dem Vortritt Frankreichs Schutzschilde für die Bedienungsmannschaften einzuführen und

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/388&oldid=- (Version vom 15.9.2022)