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Viehwirtschaft, die naturgemäß nur langsam fortschreiten konnte, sondern auf dem des Bergbaues. Nach Fertigstellung der inzwischen verstaatlichten Bahn Swakopmund–Tsumeb hatte die Otavi-Minen- und Eisenbahngesellschaft mit der Kupferförderung auf der Tsumeber Mine energisch begonnen, zugleich aber auch eine Anzahl kleinerer Gruben im Otavital in Angriff genommen, aus denen insgesamt bis zum 31. März d. J. 184 500 t Exporterze verschifft worden waren. Ebenso wurden von anderen Gesellschaften und Firmen Untersuchungs- und Aufschließungsarbeiten im Kahnfluß und bei Okahandja vorgenommen. Von größter Wichtigkeit für das Schutzgebiet wurde aber die Auffindung von Diamanten in der Namib bei dem Südhafen Lüderitzbucht im Jahre 1908. Das Diamantgebiet wurde für die Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter Außerkraftsetzung des kurz zuvor geschlossenen sog. Bergrezesses gesperrt, eine Maßnahme, welche vielfach angegriffen wurde und bei endgültiger vertragsmäßiger Regelung der Angelegenheit im Frühjahr 1910 zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Mineninteressenten im Schutzgebiete, die eine starke Stütze an einflußreichen Parteien im Reichstage fanden, und der Kolonialverwaltung führte. Durch hohe Abgaben, die vor allem in einem inzwischen in eine die Förderung günstig beeinflussende Nettoertragssteuer umgewandelten Bruttowertzoll von 33⅓% bestanden, wurde dem Fiskus eine erhebliche Einnahme aus den Diamanten gesichert, zu deren Verwertung in Deutschland eine Diamantenregie errichtet worden ist, in deren Aufsichtsrat seit 1911 durch die Minenkammer in Lüderitzbucht präsentierte Vertreter der Förderer Sitz und Stimme haben. Die Zahl der letzteren ist inzwischen auf die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates erhöht. Ebenso befindet sich das Kapital der Regie zurzeit zur Hälfte in den Händen der Förderer einschließlich des Fiskus.

Die weitere gedeihliche wirtschaftliche Entwickelung unserer Kolonien hängt wesentlich von der Förderung der für Handel, Industrie und Landwirtschaft wichtigen Eingeborenen-Kulturen und der Ausdehnung der Plantagenbetriebe ab. Letztere ist eng verknüpft mit der Investierung Deutschen Kapitals und der Lösung der Arbeiterfrage, welche in Kiautschau und Togo günstig, in Ostafrika und Neuguinea erträglich, für die übrigen Kolonien aber mehr oder weniger brennend ist. Am akutesten ist sie in Samoa, wo die Europäer ganz auf Arbeiterbezug von auswärts, der sich in den letzten Jahren überaus schwierig gestaltet hat, angewiesen sind; nicht viel besser steht es zurzeit in Kamerun, desgleichen in Südwestafrika, wo es darauf ankommt, ob es gelingt, die Ovambos in größerer Zahl, als bisher zur Arbeit heranzuziehen. Leider hat sich das Deutsche Kapital in letzter Zeit wieder zurückhaltender gezeigt, trotzdem eine Anzahl von kolonialen Erwerbsgesellschaften sich günstig entwickelt und recht gute Abschlüsse gehabt hat, dementsprechend auch höhere Dividenden zahlte. Nicht ganz ohne Einfluß dürfte hier die Arbeiterfrage sein, sowie die Nachwirkung einer Reihe früherer ungesunder Gründungen und verlustreicher Sanierungen.

Handelsbewegung.

Die allgemeine Aufwärtsbewegung in der Entwicklung der Kolonien findet auch in der Handelsstatistik ihren Ausdruck. Mit der vermehrten Kauftraft der Eingeborenen in den tropischen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/455&oldid=- (Version vom 24.9.2020)