Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1 | |
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1884 550 000 1887 763 000 1890 1 427 000 1893 1 787 000 1898 2 107 000 1903 3 011 000 1907 3 539 000 1912 4 250 000
Diese Ziffern sind lehrreich in doppelter Hinsicht. Sie zeigen das bedenkliche Wachstum der sozialdemokratischen Anhängerschaft und die schwindende Scheu bürgerlicher Kreise, der Sozialdemokratie bei den Wahlen unmittelbare Hilfe zu leihen. Die Zahlen zeigen aber auch, daß eine parlamentarische Schwächung der Sozialdemokratie trotz ihrer Propagandakraft zu erreichen ist. Das wird deutlich durch die Zahl der von 1884 bis 1912 von der Sozialdemokratie errungenen Mandate:
1884 24 1887 11 1890 35 1893 44 1898 56 1903 81 1907 43 1912 110.
Die beiden Zusammenstellungen beweisen, daß eine Verminderung der sozialdemokratischen Stimmenzahl bisher nicht erreichbar war, eine Zurückdrängung der Sozialdemokratie im Reichstag bei entsprechender Führung aber sehr wohl erreichbar sein kann. Eine gesunde Realpolitik sieht auf die Erringung des erreichbaren Guten, wenn das Bessere vorläufig unerreichbar ist.
Das Anschwellen der sozialdemokratischen Stimmen ist eine sehr ernste Erscheinung. Aber da die Stimmzettel doch keinen anderen unmittelbaren Zweck haben als den der Mandatsgewinnung, da die Sammlung der ungeheuren Massen sozialdemokratischer Anhänger und Zuläufer nur dann von Einfluß ist für den Verlauf der praktischen gesetzgeberischen Arbeit, wenn die sozialdemokratische Stellung im Reichstag eine entsprechende Verstärkung erfährt, so muß die Regierung ihre nächste Aufgabe darin erblicken, die massenhafte Abgabe sozialdemokratischer Stimmzettel für den Wahlausfall unwirksam zu machen. Wird ein solcher Erfolg unter Führung der Regierung nicht nur einmal, sondern wiederholt und immer wieder errungen, so wird seine Rückwirkung auf die sozialdemokratische Werbe- und Wühlarbeit auf die Dauer nicht ausbleiben. Denn was für jede menschliche Tätigkeit zutrifft, das gilt ganz besonders für die Arbeit auf politischem Gebiete: nichts wirkt lähmender als die Erkenntnis, daß einem dauernden angestrengten Bemühen ständig der Erfolg versagt bleibt. In dem Glauben an ihre
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/99&oldid=- (Version vom 31.7.2018)