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müssen uns freuen, daß unsere Kolonie ihn uns geschenkt hat. Bereits sind tüchtige Männer daran, das bisherige umständliche und nicht zuverlässige Diamantenausleseverfahren durch die Arbeit von Aufbereitungsmaschinen zu ersetzen. Dann werden selbst die feinsten Diamantteilchen nicht mehr verloren gehen.

Künstliche Rubine.

Es sei hier auch erwähnt, daß aus Rohstoffen, die deutsches Land liefert, andere Edelsteine, mit denen die Natur uns wenig bedacht hat, künstlich durch Schmelzprozesse erzeugt werden. Weit über Deutschlands Grenzen hinaus sind die künstlichen Rubine und Saphire bekannt, welche die Bitterfelder Fabrik der Deutschen Edelsteingesellschaft liefert. In Farbe, Glanz und Größe gleichen sie den echten Steinen. Ein Unterschied besteht nur im Preise. Die Natur fabriziert billiger, aber das Sucherlohn ist so hoch, daß es die Bitterfelder Gestehungskosten um ein Vielfaches übersteigt. Auch diese gleißenden Rubine und Saphire sind nicht allein des Schmuckes wegen da. Die Uhrmacherkunst bedient sich ihrer in Millionen von Karat zur Herstellung von Zapfenlagern.

Kalksandstein.

Wo nicht feste Bausteine anstehen, sondern Mineraltrümmer, bedarf es der Konglomerierung, damit sie feste Körper ergeben. Des Deutschen Reiches Streusandbüchse, die Mark Brandenburg, ist das Mutterland einer wertvollen Erfindung, nämlich des Kalksandsteins. Des Erfinders Dr. Michaelis sei hier ehrend gedacht. Ein Gemenge von Sand mit wenig Kalk wird zu Steinen gepreßt und dann in Härtekesseln der Einwirkung hochgespannter Wasserdämpfe ausgesetzt. Dadurch findet in der Steinmasse eine Umsetzung statt: ein Teil der im Sand reichlich vorhandenen Kieselsäure geht in den löslichen Zustand über, und dieser Teil vereinigt sich mit dem beigemischten Kalk zu einer unlöslichen festen Verbindung, die dort, wo sie sich bildet, die umliegenden Sandkörner fest verkittet. Der Kalkzusatz zum Sand beträgt etwa 10 Prozent. Durch die Einwirkung des Wasserdampfes treten nur etwa 2 bis 3 Prozent in die Verbindung des kieselsauren Kalkes ein, die schon genügen, harte Steine zu ergeben. Der Rest des Kalkes bleibt zunächst als abgelöschter Kalk im Stein bestehen. Er zieht mit der Zeit Kohlensäure ein und macht den Stein dadurch immer fester, abweichend von den Ziegelsteinen, die ihre einmal im Feuer erhaltene Festigkeit nicht mehr zu vermehren vermögen. Die Befürchtungen, die man anfangs gegen die Verwendung von Kalksandsteinen hegte, sind also grundlos gewesen. Freilich hat erst die Not für die Einführung des Kalksandsteins in das Baugewerbe gesorgt. Als ein im Frühjahr 1903 plötzlich eingetretener Frost ungeheure Mengen im Freien liegender roher Ziegelsteine zum Zerfrieren brachte, die rege Bautätigkeit aber Material brauchte, war der Bann gebrochen. Der Kalksandstein wurde eingeführt und hat sich seitdem dauernd behauptet. Interessant ist, daß der Sand, der heute noch im Sandhügel von Niederlehme bei Königswusterhausen ansteht und zur Fabrik gefahren wird, schon am nächsten Morgen im Hafen von Berlin abgeladen und auf den Bau gefahren wird. Der schnelle Gang der Fabrikation schafft den Zieglern, die ihre Waren mühsam trocknen und brennen müssen, einen gefährlichen Wettbewerb.

So ist der vielgeschmähte Sand der Mark zu Ehren gekommen, und der Lehm hat

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/178&oldid=- (Version vom 11.6.2017)