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zu erlassen, die bei der Ausführung von Nahrungsmitteluntersuchungen in amtlicher Veranlassung anzuwenden waren. Das erstemal geschah dies nach dem Erlaß des Farbengesetzes im Jahre 1887 für den Nachweis des Arsens und Zinns. Später folgten dann die amtliche Anweisung für die chemische Untersuchung des Weines, der Fette, und endlich die eingehenden Untersuchungsvorschriften für Fleisch und Fleischwaren. Auch zur Durchführung der Steuer- und Zollgesetze wurden umfangreiche Prüfungsvorschriften erlassen, die sich auch auf Nahrungsmittel bezogen, z. B. auf Zucker, Olivenöl, tierische Speisefette, Wein, und die daher gleichfalls für den Handel und Verkehr mit Nahrungsmitteln eine große Bedeutung besitzen.

Diese amtlichen Vorschriften sind bei der Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel zum Zweck der amtlichen Kontrolle in erster Linie anzuwenden. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Wissenschaft, auch die chemische Analyse, sich ständig weiter entwickelt und daß daher Untersuchungsverfahren auch veralten können. In solchem Falle muß der Sachverständige natürlich berechtigt sein, von der amtlichen Untersuchungsvorschrift abzuweichen, damit er die Ergebnisse seiner Untersuchung auch vom wissenschaftlichen Standpunkte aus zu vertreten imstande ist. Er muß aber dann wenigstens angeben, wie er die Untersuchung ausgeführt hat, damit ein anderer Sachverständiger, sofern dies aus irgendeinem Grunde notwendig werden sollte, in der Lage ist, nach demselben Verfahren zu arbeiten.

„Vereinbarungen“ 1897−1901.

Es war nun aber nicht möglich, für alle Nahrungs- und Genußmittel eine amtliche Untersuchungsvorschrift zu erlassen. Diese Lücke wurde durch die „Vereinbarungen“ ausgefüllt, die in den Jahren 1897–1901 von einer Kommission von Nahrungsmittelchemikern unter dem Vorsitz des Kaiserlichen Gesundheitsamtes ausgearbeitet wurde, nachdem vorher schon von den in den bayrischen Untersuchungsanstalten tätigen Sachverständigen sehr wertvolle Vorarbeiten hierfür ausgeführt waren. Diese „Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurteilung von Nahrungs- und Genußmitteln sowie Gebrauchsgegenständen für das Deutsche Reich“ sollten zunächst nur ein Entwurf sein. Sie haben trotzdem aber einen großen Einfluß nach den verschiedensten Richtungen hin ausgeübt. Zunächst war es als ein großer Erfolg anzusehen, daß die mit der Untersuchung von Nahrungsmitteln und Genußmitteln sich befassenden Sachverständigen diese „Vereinbarungen“ sich zur Richtschnur machten, aus welchem Grunde auch immer diese Untersuchungen vorgenommen wurden, und daß sie sich mit Eifer und Erfolg an der weiteren Ausgestaltung dieser vereinbarten Vorschriften beteiligten. Auch im Auslande fanden diese Vereinbarungen bald Nachahmung, was für den internationalen Warenverkehr nicht ohne Einfluß blieb.

Reichsgesundheitsamt und Reichsgesundheitsrat.

Um aber diese Vereinbarungen bei der ständigen Weiterentwicklung der Wissenschaft auf dem Laufenden zu erhalten, wurde die weitere Fortführung dieser Arbeit durch den mit dem Reichsgesundheitsamt verbundenen Reichsgesundheitsrat vorgesehen. Einige Abschnitte der „Vereinbarungen“ sind inzwischen auch schon einer Neubearbeitung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/199&oldid=- (Version vom 20.8.2021)