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die Voraussetzung für den Beginn des handwerksmäßigen Betriebes bilden soll, kann nicht entsprochen werden, da die verbündeten Regierungen sich weder von der Zweckmäßigkeit noch von der Durchführbarkeit dieser Maßregel überzeugen können.“ Es wurde eine Resolution angenommen, die zwar die Forderung des allgemeinen Befähigungsnachweises als zurzeit unerreichbar ablehnte, aber einen Befähigungsnachweis für das Baugewerbe, in dem Leben und Gesundheit gefährdet ist, verlangte und für den Meistertitel größere Vorrechte forderte. Beiden Forderungen ist man inzwischen gerecht geworden.

Befähigungsnachweis für das Baugewerbe.

Die Novelle vom 7. Januar 1907 (Bauschutzgesetz) brachte einen gewissen Befähigungsnachweis für das Baugewerbe. Sie bezweckt den Schutz der Arbeiter und des Publikums gegen technisch oder auch moralisch nicht einwandfreie selbständige Baugewerbetreibende, indem der Betrieb des Gewerbes als Bauunternehmer und Bauleiter sowie der Betrieb einzelner Zweige des Baugewerbes untersagt werden muß, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in bezug auf diesen Gewerbebetrieb dartun; Mangel an theoretischer Vorbildung kann als eine solche Tatsache nicht geltend gemacht werden gegenüber Personen, die bestimmte Prüfungen, zu denen auch die Meisterprüfung im Maurer-, Zimmerer- oder Steinmetzgewerbe gehört, abgelegt haben. Neuerdings strebt man eine Verbesserung dieses Gesetzes nach der Richtung an, daß das Wort „Tatsachen“ durch „begründeter Verdacht“ ersetzt werde und die ausgesprochene Untersagung, die durch die Landesbehörde erfolgt, Geltung für das ganze Reich habe.

Der „kleine Befähigungsnachweis.“

Das Gesetz vom 30. Mai 1908, in Kraft getreten am 1. Oktober 1908, brachte sodann den sogenannten „kleinen Befähigungsnachweis“. Danach sind vom 1. Oktober 1908 ab nur noch diejenigen Handwerker zur Anleitung von Lehrlingen berechtigt, die eine Meisterprüfung gemäß § 133 der Gewerbeordnung bestanden und das 24. Lebensjahr vollendet haben. Alle, die nach dem Handwerkergesetz von 1897 diese Berechtigung besaßen, haben sie mit dem 30. September verloren, falls sie den obengenannten Bestimmungen des Gesetzes von 1908 nicht genügen. Indessen muß die untere Verwaltungsbehörde denjenigen Personen, die am 1. Oktober 1908 mindestens 5 Jahre hindurch mit der Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen in ihrem Gewerbe tätig gewesen sind, diese Befugnis auf Antrag weiter verleihen. Ferner kann das Recht zur Anleitung von Lehrlingen auch allen übrigen Handwerkern verliehen werden, die diese Befugnis bereits vor dem 1. Oktober 1908 besahen, widerruflich durch die höhere Verwaltungsbehörde auch solchen Personen, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet und auch keine Meisterprüfung abgelegt haben. Im übrigen müssen alle Handwerker, die nach dem 1. Oktober 1908 Lehrlinge anleiten wollen, eine Meisterprüfung ablegen. Erleichterungen sind vorgesehen für Handwerksbetriebe, die nach dem Tode des Gewerbetreibenden für Rechnung der Witwe oder minderjähriger Erben fortgesetzt werden, auch bei Behinderung des

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 790. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/353&oldid=- (Version vom 20.8.2021)