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unterscheidet Schulen, in welchen nur evangelische ober nur katholische Lehrkräfte den Unterricht erteilen, und solche Schulen, an welchen gleichzeitig evangelische und katholische Lehrkräfte angestellt sind. Es hält den bisherigen Bestand an beiden Schularten aufrecht und schafft feste, gesetzliche, zahlenmäßige Grundlagen hinsichtlich der Konfession der anzustellenden Lehrer, hinsichtlich des Charakters einer neu zu errichtenden Schule und der Umwandlung einer Schule der einen Art in die andere, wobei dem Beschluß des Schulverbandes, also der Gemeindeangehörigen, die maßgebende Stellung eingeräumt ist. Es stellt ferner das Recht der konfessionellen Minderheit fest, in bestimmten Fällen die Einrichtung einer besonderen Schule ihrer Konfession zu verlangen, und es sorgt für den Religionsunterricht der Kinder der Minderheit, wenn deren Zahl wenigstens 12 beträgt. Damit ist eine Grundlage für den konfessionellen Frieden geschaffen, deren die bisherige Schulgesetzgebung in Preußen entbehrte. Vielfach angegriffen ist die vom Grafen Zedlitz stammende, von der preußischen Unterrichtsverwaltung seitdem aufrecht erhaltene Bestimmung, daß die Kinder von Dissidenten an dem Religionsunterricht der Schule, in die sie eingeschult sind, teilnehmen müssen. Bezüglich der Kinder aus Mischehen herrscht ein unbefriedigender Zustand. Bei Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches mußte davon Abstand genommen werden, diese Materie zu regeln. So gelten heute noch in allen deutschen Staaten alte, zum Teil widerspruchsvolle Bestimmungen fort und in der Rechtsprechung muß es daher zu mancherlei entgegengesetzten Entscheidungen kommen. Die alten Bestimmungen schlagen dem modernen Empfinden religiöser Toleranz oft geradezu ins Gesicht. Aber während es früher als Aufgabe der Schulverwaltung galt, zu entscheiden, in welcher Schule, also in welcher Religion ein Kind zu erziehen ist, hat sie sich im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts von dieser Entscheidung, sobald Streit eintritt, mehr und mehr zurückgezogen und überläßt sie den Vormundschaftsgerichten. Es ist nicht zu erwarten, daß es sobald zu einer gesetzlichen Regelung der Mischehenfrage weder im Reiche noch in Preußen kommen wird. Es stehen hier dieselben Schwierigkeiten entgegen, die das Zustandekommen eines umfassenden Volksschulgesetzes in Preußen verhindern. Nach dem Scheitern des Goßlerschen und des Zedlitzschen Entwurfs und, nachdem die Verabschiedung wichtiger Sondergesetze geglückt ist, wird die preußische Unterrichtsverwaltung nicht sobald wieder den Schulfrieden durch Einbringung eines neuen umfassenden Volksschulgesetzes gefährden. So wird auch das Privatschulwesen weiter einer befriedigenden Regelung entbehren müssen und es werden, wie dies auch neuerdings eingeleitet ist, Maßregeln im Verwaltungswege getroffen werden müssen, die den Rechten der Privatschulinhaber gerecht werden. Das preußische Vollksschulwesen trägt übrigens fast ausschließlich öffentlichen Charakter.

Leistungen. Staatsbürgerliche Erziehung.

Die Leistungen der Volksschule haben sich dank der Verbesserung ihrer äußeren Organisation, dank den Fortschritten auf dem inneren Unterrichtsgebiete in der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. gehoben. Der Pflege des Geschichtsunterrichts und des Volksliedes hat der Kaiser persönlich sein förderliches Interesse zuteil werden lassen. Die Volksschule erreicht das eine ihrer Ziele, die Unterweisung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/669&oldid=- (Version vom 31.7.2018)