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gebracht wird und dann als Lichtquelle dient, wird es verwandt. Da das Quarzglas noch für die äußersten Teile des ultravioletten Lichts durchsichtig ist, so kann man mittels einer aus Quarzglas hergestellten Quecksilberbogenlampe die Wirkung des ultravioletten Lichts studieren und diese Strahlen zu mancherlei Zwecken z. B. auch als Heilmittel bei der Erkrankung organischer Gewebe benutzen.

Erforschung tiefster Temperaturen.

Wir haben hiermit das Gebiet der hohen Temperaturen berührt und schließen hieran die Fortschritte, die mit der Erschließung des Gebietes tiefster Temperaturen verbunden sind. Als es im Jahre 1877 Cailletet in Paris und Pictet in Genf gelungen war, die Bestandteile der Luft durch Anwendung niedriger Temperatur zu verflüssigen, war der früher angenommene Unterschied zwischen den koerziblen und permanenten Gasen beseitigt. Die Verflüssigung der Luft erforderte aber so große Maschinen und eine solch komplizierte Apparatur, daß das Studium der Eigenschaften flüssiger Luft nur wenigen ermöglicht worden war, und daß wohl niemand an eine praktische Anwendung der flüssigen Luft dachte. Auf Grund eingehenden Studiums der Gasgesetze und der besonderen Eigenschaften einiger Gase gelang es 1895 v. Linde in München, die Luft nach einem neuen Verfahren zu verflüssigen, das darauf beruht, daß sich komprimierte Luft bei ihrer Entspannung abkühlt. Das Verfahren ist so einfach, und die auf dieses Verfahren gegründete Verflüssigungsmaschine nimmt einen so geringen Raum ein, daß die physikalischen Laboratorien, denen nicht allzu beschränkte Geldmittel zur Verfügung stehen, eine solche Maschine anschaffen konnten. Da außerdem die Handhabung der Maschine leicht von gewöhnlichen Arbeitern erlernt werden kann, so befaßten sich einige Fabriken direkt mit der technischen Herstellung flüssiger Luft, die sie zu einem relativ niedrigen Preise an jedermann verkaufen. Die flüssige Luft siedet bei einer Temperatur von etwa –190° C. Während sie bei dieser Temperatur teilweise in den luftförmigen Zustand übergeht, nimmt sie die hierzu erforderliche Wärme aus den noch flüssigen Teilen der Luft und kühlt diese selbständig wieder ab. Daher kann sie in einem offenen Gefäß eine Zeitlang aufbewahrt werden, wenn das Gefäß von außen möglichst gegen Aufnahme von Wärme geschützt wird. Zur Aufbewahrung der flüssigen Luft dienen die sog. Dewarschen Gefäße, die eine Vervollkommnung der schon früher von Weinhold in Chemnitz konstruierten Gefäße darstellen. Sie bestehen aus einem Glasgefäß mit doppelten Wandungen. Der Zwischenraum zwischen den beiden Wandungen ist luftleer, daher kann die Wärme aus Mangel an einem Transportmittel nicht von außen nach innen gelangen. Die Wärmeausstrahlung wird durch Versilberung des Gefäßes verhindert. Die heute unter dem Namen Thermosflaschen für wenig Geld im Handel erhältlichen Gefäße, in denen warme Getränke sehr lange warm und kalte Flüssigkeiten sehr lange kalt gehalten werden können, sind im wesentlichen Dewarsche Gefäße.

Edelgase.

In der flüssigen Luft sind alle ihre Bestandteile in flüssigem Zustande enthalten. Da diese Bestandteile bei verschiedenen Temperaturen sieden, so

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/161&oldid=- (Version vom 20.8.2021)