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Magenkrankheiten.

Die Kenntnis der Magendarmkrankheiten ist durch Verbesserungen der Methoden sehr gefördert worden, ich erwähne die Methode der Funktionsprüfung des Magens durch Ausheberung einer bestimmten Mahlzeit, (Leube, Ewald), welche jetzt Allgemeingut der Ärzte geworden ist, die Ausarbeitung einer Probediät bei Krankheiten des Darms (Schmidt), die eingehenden Untersuchungen des Stuhlganges mittelst chemischer, mikroskopischer und bakteriologischer Methoden, die Röntgendiagnostik des Magens und Darms mit Hilfe von Kontrastmahlzeiten, welche Wismut oder Bariumsulfat, also für Röntgenstrahlen undurchsichtige Mittel enthalten und so die Sichtbarkeit dieser Teile ermöglichen, die Methoden mittelst Spiegel sich die Speiseröhre, den Magen, den unteren Darm sichtbar zu machen. Die größten Fortschritte und Einblicke hat die Röntgenuntersuchung gebracht. Lage, Form, Bewegung der Speiseröhre, des Magens, des Darms werden dadurch plastisch sichtbar; Verengerungen, Erweiterungen, Lageveränderungen, gewisse Geschwüre, Krebse werden verhältnismäßig leicht erkannt. Die Behandlung wurde durch Ausarbeitung der Diätetik und durch die Chirurgie eine sehr viel bessere; viele Arten von Magendarmkrankheiten sind dadurch erst einer Heilung zugänglich geworden.

Stoffwechselkrankheiten.

Die Lehre von der Ernährung, der Stoffwechsel und die Stoffwechselerkrankungen sind in den letzten Jahrzehnten infolge der großen Fortschritte in der physiologischen Chemie mit einem Bienenfleiße von Hunderten von Medizinern studiert worden. Die großen Entdeckungen unseres größten von den lebenden Chemikern Emil Fischer über die Zusammensetzung des Zuckers und des Purins, von dem sich für den menschlichen Stoffwechsel wichtige Stoffe (Harnsäure, Purinbasen) ableiten, hat zu vielerlei Studien über den Zuckerstoffwechsel, die Zuckerkrankheiten und die Gicht geführt. Die Lehre von der Zuckerkrankheit wurde durch die Feststellung, daß die Entfernung der Bauchspeicheldrüse bei Tieren schwerste unter Zuckerausscheidung zu Tode führende Krankheit verursacht (Minkowski), daß gewisse Gifte, so das Phloridzin (gewonnen aus der Wurzelrinde des Apfel-, Birn- Kirsch- und Pflaumenbaumes) starke Zuckerausscheidung bei Tieren und Menschen hervorbringt, sehr gefördert worden. Die Behandlung der Zuckerkrankheit wurde besonders nach der diätetischen Seite sehr ausgebaut und viele grundlegenden Tatsachen gefunden, in den letzten Jahren sind Kohlenhydratkuren z. B. die ein bis zweitägige Verabreichung von Mehlen als wertvoll für gewisse Fälle erkannt worden, Kuren, welche vor zehn Jahren verpönt waren. Die Behandlung der Gicht ist durch Eingabe von Radium (Emanation des Radium und Thorium X) in ein neues Fahrwasser gelenkt worden; tatsächlich werden manche Gichtiker dadurch in ungeahnter Weise gebessert. Die Therapie der Fettsucht wurde durch die Erkenntnis, daß gewisse Drüsenprodukte z. B. die der Schilddrüse damit in engem Zusammenhange stehen, bereichert; in bestimmten Fällen gelingt durch Einnahme von Schilddrüsenpräparaten eine prompte Entfettung. Die Bedeutung der inneren Sekretion der Blutdrüsen für die Lehre von den Krankheiten gewinnt von Monat zu Monat an Bedeutung, am meisten studiert und am besten bekannt sind die Beziehungen der Schilddrüse, der Nebennieren und Geschlechtsdrüsen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/234&oldid=- (Version vom 20.8.2021)