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denen sich neben namhaften ausländischen Fachkollegen wie Arloing, C. O. Jensen, McFadyean, de Jong, auch deutsche tierärztliche Forscher wie Dammann u. a. beteiligt haben, ergeben, daß die Rindertuberkulose entgegen der von R. Koch vertretenen Auffassung sehr wohl auf den Menschen übergehen kann, und daß die Übertragung besonders leicht durch tuberkelbazillenhaltige Kuhmilch vermittelt wird. Hieraus ergibt sich von selbst die Forderung, wenigstens die zum Rohgenuß bestimmte Milch nur von solchen Kühen zu gewinnen, die einer ständigen tierärztlichen Kontrolle unterworfen sind, und auch von der allgemeinen Milchgewinnung solche Tiere auszuschließen, die mit der Milch Tuberkelbazillen ausscheiden. Da aber die Tuberkelbazillen nicht die einzigen Krankheitskeime sind, die durch Milchgenuß auf den Menschen übertragen werden tonnen, so hat sich im letzten Jahrzehnt ganz von selbst ein neues Forschungsgebiet, die Milchhygiene, erschlossen, das in von Jahr zu Jahr zunehmendem Maße auch von deutschen Tierärzten bearbeitet wird. Es ist daher durchaus gerechtfertigt, daß die Bedeutung, die den Tierärzten als Sachverständigen auf dem Gebiete der Milchhygiene zukommt, im neuen Reichsviehseuchengesetze durch Übertragung der Befugnis der Überwachung von Sammelmolkereien klar zum Ausdruck gebracht ist. Ebenso ist es mit Genugtuung zu begrüßen, daß in den bereits erwähnten Normalbestimmungen über die Regelung des Milchverkehrs in Preußen in angemessener Weise auf die Mitwirkung der Tierärzte bei der allgemeinen Milchkontrolle hingewiesen ist. Je mehr sich aber die Auffassung Bahn bricht, daß der Tierarzt neben dem Chemiker als Sachverständiger bei der Milchkontrolle zu gelten hat, um so leichter wird es gelingen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die der Einführung einer allgemeinen Milchkontrolle heute noch entgegenstehen.

Sonstige Disziplinen der Veterinärmedizin.

Wenn auch der Aufschwung der Veterinärmedizin in den letzten 25 Jahren für die Allgemeinheit wohl am deutlichsten in den beiden soeben besprochenen Forschungsgebieten der Seuchenkunde und der Nahrungsmittelkunde zum Ausdruck kommt, so stehen doch die übrigen Disziplinen in ihrer Entwicklung diesen nicht nach. Das gilt in erster Linie von den Disziplinen, die von jeher in besonders naher Beziehung zur Humanmedizin gestanden haben, nämlich von der Anatomie und Histologie, der Embryologie und der Physiologie der Haustiere, von denen die erstere, weiterbauend auf den Arbeiten von Gurlt, Müller, Leisering, Franck, gerade in den letzten 25 Jahren durch zahlreiche umfassende vergleichende Untersuchungen von Ellenberger und Baum, Martin, Schmaltz u. a. einen wissenschaftlichen Ausbau erfahren hat, der sie der humanen Anatomie ebenbürtig an die Seite stellt, während die letztere unter Benutzung der Vorteile, die ihr die Natur des Objektes gerade auf dem Gebiete exakter physiologischer Forschung gegenüber der Menschenmedizin gewährt, durch wertvolle Beiträge– erwähnt seien u. a. die Arbeiten Ellenbergers und seiner Schüler über Ernährungsphysiologie – den gemeinsamen Unterbau der medizinischen Wissenschaft wesentlich erweitert hat. Und in gleicher Weise haben zahlreiche Arbeiten aus der experimentellen Tierpathologie und pathologischen Anatomie nicht nur die eigene Wissenschaft gefördert, sondern zugleich auch zur Lösung schwieriger allgemein medizinischer Probleme beigetragen. So

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/310&oldid=- (Version vom 20.8.2021)