Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 3.pdf/323

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ferner wurde das schon seit 1860 in Berlin bestehende landwirtschaftliche Lehrinstitut mit dem 1867 errichteten landwirtschaftlichen Museum 1881 zur Landwirtschaftlichen Hochschule vereinigt. Sie erhielt dabei neben der landwirtschaftlichen Abteilung noch eine landwirtschaftlich-technische, sowie eine geodätisch-kulturtechnische, mit welch letzterer auch die landwirtschaftliche Akademie Bonn-Poppelsdorf ausgerüstet ist. Den landwirtschaftlichen Universitätsinstituten fehlen diese beiden Abteilungen, weil sowohl die landwirtschaftliche Technologie wie auch die Kulturtechnik und besonders die Geodäsie sich nicht gut dem Wesen der Universität einfügen lassen. Es werden jedoch fast an jeder Universität auch Vorlesungen über landwirtschaftliche Technologie und Kulturtechnik regelmäßig geboten, so daß sich jeder Landwirt darin orientieren kann. – Gegenüber jenen landwirtschaftlichen Hochschulen bietet das Universitätsstudium die Gelegenheit einer weiteren und tieferen naturwissenschaftlichen und allgemeinen Belehrung, und das ist namentlich von großer Bedeutung für die Ausbildung der heranwachsenden Vertreter der Wissenschaft. Jedes der Systeme hat seine Vorteile. Infolge dieser Sachlage hat man auch bis jetzt davon Abstand genommen, das höhere landwirtschaftliche Unterrichtswesen einheitlich nach einer Form auszugestalten, und so ist im Laufe der letzten 25 Jahre die Zweiteilung verblieben. Wohl aber hat man im Laufe dieser Zeit innerhalb der einzelnen Systeme den neuen Anforderungen Rechnung getragen und sie erweitert und vertieft.

Landw. Institut zu Halle.

An den Universitäten ist die Landwirtschaftswissenschaft nach und nach spezialisiert und infolgedessen die Zahl der Lehrstühle wesentlich vermehrt. Die Hauptinstitute sind erweitert und mit Nebeninstituten ausgerüstet. Voran schreitet hierin neuerdings Halle, welches 1914 vollständig neuorganisiert sein wird. Es ist zurzeit das am stärksten besuchte landwirtschaftliche Lehrinstitut. Im Wintersemester 1912/13 studierten an der Universität zu Halle 446 Landwirte von Beruf nebst 57 Kameralisten.

Aber auch die landwirtschaftlichen Hochschulen und Akademien erfreuen sich fortgesetzt der Förderung seitens ihrer vorgesetzten Behörden. Eine solche war an allen Orten dringend nötig, denn das Studium der Landwirtschaft hat sich innerhalb der letzten 25 Jahre in Deutschland fest eingebürgert und die Frequenz in dieser Zeit im Mittel mehr denn verdreifacht, was am besten für seine allgemeine Würdigung spricht. Sie würde in kürzester Zeit noch mehr anwachsen und geradezu emporschnellen, wenn seitens der Domänenverwaltungen bei Erpachtungen nicht nur der Nachweis praktischer Befähigung und eines der Pachtung entsprechenden Vermögens verlangt würde, sondern auch der Nachweis eines systematisch betriebenen Studiums und der Ausweis dafür durch eine bestandene Prüfung. Angesichts der großen Opfer, welche der Staat für das höhere landwirtschaftliche Unterrichtswesen bisher brachte und fortgesetzt wird bringen müssen, und angesichts der großen Bedeutung einer Steigerung der Leistungen unserer Landwirtschaft, welche ohne gediegene wissenschaftliche Kenntnisse nicht möglich ist, sollten alle Bedenken der Finanzverwaltung gegen einen wissenschaftlichen Befähigungsnachweis der zukünftigen Generationen der Domänenpächter fallen!

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/323&oldid=- (Version vom 20.8.2021)