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werden, sind der bedeutungsvolle und bleibende Inhalt aller Forschung. Der Rechtsgrund aller Einsicht muß dabei letzten Endes in der Vernunft selbst nachgewiesen werden. Die Logik erscheint in diesem System als der Inbegriff der theoretischen Philosophie und als die Grundlage der anderen philosophischen Wissenschaften. So kann die Ethik als eine Logik der reinen Willensgestaltung und die Ästhetik als eine Logik der reinen Kunstgestaltung angesehen werden. Die unbedingte Setzung und damit das unbedingt Gesetzliche werden in dem Idealismus der Marburger Schule am meisten gewürdigt, und so entsteht die Richtung auf das absolute Gesetz, das von dem Wechsel der Erscheinungen unabhängig ist und zugleich in allen gilt.

Das Absolute als Realität.

Ist nun mit diesen drei Formen alles erschöpft, was überhaupt absolut sein und zur absoluten Philosophie gerechnet werden kann? Man hat es gemeint und im Anschluß an Lotze alle Bestimmungen auf Tatsachen, Prinzipien und Werte zurückzuführen gesucht, denen noch eine theologische Ergänzung zugestanden wurde. Aber damit erhält man drei ganz getrennte Arten des Absoluten. Die letzte Tatsache, der letzte Wert und das letzte Gesetz haben eine so verschiedene Bedeutung, daß sie sich gar nicht zu einem wirklichen System vereinigen lassen, und so wird man genötigt, von einem relativen Absoluten, nämlich von einem Absoluten mit Rücksicht auf das Gebiet zu reden, für das es gilt. Ein Blick auf die absolute Philosophie vor hundert Jahren zeigt uns sofort, woran das liegt. Sie war von der Tendenz beherrscht, Denken und Sein unter die gleichen Gesichtspunkte und Entwicklungsgesetze zu bringen und damit weder die Phänomene von dem, was erscheint, noch die Erkenntnis von ihren Gegenständen, noch die Werte von einer Welt zu trennen, in der sie gesetzt, beurteilt und verwirklicht werden. Wir bedürfen somit noch eines vierten Absoluten, um die Einheit aller herstellen zu können, nämlich eines realen Seins und Geschehens, das zur Tatsache für uns werden kann, das Werte in sich aufnimmt und zur Herrschaft gelangen läßt, das endlich nach Gesetzen sich richtet und eine Erkenntnis des Ursprungs aller Geltung ermöglicht. Aus dem Kelche dieses Absoluten schäumt uns wahrhaft die Unendlichkeit. In sich selbst gegründet und ohne Grenzen seines Reiches ist es der Ankerplatz, der alle Kulturgüter aufnimmt und schützt, und der auch unseren religiösen Anschauungen und Gefühlen ihren Halt und ihr Recht gibt.

Die Frage, wie wir zur Erkenntnis dieses nicht unmittelbar zu ergreifenden Absoluten kommen, ist eine Fundamentalfrage der Erkenntnistheorie. Ihre positive und detaillierte Beantwortung ist durch Bedenken und Einwände erschwert und verzögert worden, die uns künftig zumeist als unfruchtbarer Subjektivismus und Skeptizismus erscheinen werden. Man kann auch sagen: wo die Normalwege zur Befriedigung des Erkenntnistriebes infolge übergroßer Vorsicht zugebaut werden, da öffnet sich an einer nicht allen zugänglichen Stelle ein neuer Pfad, Glaube, Ahnung, Extase genannt, um diesem Absoluten zueilen zu können. So ist Bergsons Intuition ein Versuch, an der langsam und methodisch hinführenden Straße vorbei mit einem kühnen Vorstoß an das Ziel zu gelangen. Es beginnt aber jetzt die Einsicht durchzudringen, daß es einen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/33&oldid=- (Version vom 11.5.2019)