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für die drahtlose Telegraphie gelegt. Als dann im Jahre 1890 von Branly im sogenannten Kohärer oder Fritter ein einfacher und empfindlicher Apparat zum Nachweise elektrischer Schwingungen gefunden war und dieser auch die Möglichkeit gewährte, die durch stoßweise Aussendung von solchen Wellen gegebenen Zeichen mit Hilfe eines Morseschreibers aufzuzeichnen, konnte der Italiener Marconi im Jahre 1896 die Hertzschen Wellen zum Telegraphieren ohne Leitung benützen. Die beiden nächsten, für die praktische Ausbildung der drahtlosen Telegraphie außerordentlich wichtigen Schritte machten wieder zwei Deutsche: Braun in Straßburg gelang es, Erzeugung und Aussendung der elektrischen Schwingungen so voneinander zu trennen, daß die Schwingungen viel reiner und mit viel größerer Energie in den Raum hinausgingen, und Max Wien in Danzig fand in der sogenannten Löschfunkenstrecke ein Mittel, daß immer nur ein einziger störungsfreier Wellenzug von ganz bestimmter Art ausgesandt wurde und nun in den auf Resonanz eingestellten Empfangsapparaten mit großer Intensität und störungsfrei wirken konnte. Welch regen Anteil der Kaiser an diesem wesentlich deutschem Geiste entsprungenen Kulturfortschritt nahm, wissen wir aus Slabys Veröffentlichungen.

Es kann dieser Abschnitt nicht geschlossen werden, ohne daß der Verband Deutscher Elektrotechniker erwähnt würde, dessen bedeutende Leistungen nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland dankbar anerkannt werden.




VI. Städtebau
Von R. Baumeister, Dr.-Ing. Dr. med. h. c. Geh. Rat, Professor a. D. in Karlsruhe


Aufgabe.

Die allgemeine Aufgabe des Städtebaues besteht darin, für eine Gesamtheit von Wohn- und Arbeitsstätten nebst zugehörigen öffentlichen Gebäuden die unserem Kulturstand entsprechenden Grundlagen zu schaffen, sowie die gemeinsamen Einrichtungen für den Verkehr, für körperliche und geistige Erholung, für Wasserversorgung und Entfernung der Abfallstoffe vorzusehen. Demnach hängt der Städtebau aufs engste mit der Wohnungsfrage zusammen; aus Straßen und Häusern, aus Grundriß und Aufriß will er die Gesamterscheinung einer Stadt gestalten. Hierbei sind nun mancherlei Rücksichten zu nehmen: technische, ästhetische, gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche. Der Städtebau ist somit ein aus mehreren Wissensgebieten emporwachsendes Gebilde, hier jedoch kurzweg unter die technischen Wissenschaften eingereiht.

Um den Städtebau während der letzten 25 Jahre darzustellen, muß auch die unmittelbar vorhergehende Zeit mit in Betracht kommen, in welcher das gewaltige Wachstum der deutschen Städte einsetzte. Ihre Bevölkerung hat seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis heute um 30 Millionen zugenommen. Den unerwartet großen Bedürfnissen nach neuen Häusern, Straßen und Stadtteilen waren aber die bisherigen Erfahrungen nicht gewachsen; zudem herrschte in der Volkswirtschaft noch die Ansicht, daß mit dem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/390&oldid=- (Version vom 31.7.2018)