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durchdringen und sie als ein einheitliches Kunstwerk erscheinen lassen. Der ausgestellte Gegenstand mußte in der ihm angepaßten und geschmackvollen Umgebung besonders gut zur Geltung kommen, und es war unmöglich, daß die Objekte, wie dies früher oft geschehen war, sich in ihrer reklamehaften Aufmachung gegenseitig in ihrer Wirkung beeinträchtigten. Die Erfahrungen, die die Münchener Ausstellung vom Jahre 1908 gebracht hatte, wurden hier verwertet und, indem sie zum ersten Male und in großem Maßstab vor dem Ausland angewendet wurden, sicherten sie dem deutschen Kunstgewerbe einen durchschlagenden Erfolg. Das Ausland konnte nicht umhin, die hier dargetane Überlegenheit anzuerkennen, um so mehr, als die ausgestellten eigenen Leistungen erkennen ließen, daß auch dort die gleichen Bestrebungen zwar vorhanden, aber in den Anfängen steckengeblieben waren. Für das deutsche Kunstgewerbe hatte dieser Erfolg den Beweis dafür erbracht, daß die Richtung, die es seit der Dresdener Ausstellung eingeschlagen hatte, die richtige war.

Ausblick.

Es mag dahingestellt bleiben, ob es jemals gelingen wird, für die modernen Kulturvölker dieselben Zustände wieder herbeizuführen, wie sie noch weit bis in das 19. Jahrhundert hinein bestanden haben und in den Ländern Ostasiens zum Teil heute noch bestehen. Der beispiellose technische und wirtschaftliche Aufschwung hat eben die Verhältnisse von Grund auf verändert. Wir stehen im Augenblick den Ereignissen noch zu nahe, um ihnen eine in allen Punkten gerechte Kritik angedeihen zu lassen. Besonders sind wir leicht geneigt, das Modische und viel Genannte zu überschätzen auf Kosten aller der ehrlichen Arbeit, die sich nicht in den Vordergrund stellt und unter Umständen für ihre Zeit die bedeutsameren Werte schafft. Immerhin sind wir unleugbar ein gutes Stück vorwärts gekommen und wenn, wie überall, auch hier der Anfang das Schwerste ist, so steht zu hoffen, daß die nächsten Jahre eine immer schnellere Weiterentwicklung bringen werden. Es ist ja durchaus nicht erforderlich, daß das erträumte Ziel des neuen Stils in Bälde erreicht werde. Es wird genügen, wenn alle Produzenten in den Stand gesetzt werden, ihre Erzeugnisse so einfach, aber zugleich geschmackvoll und gediegen herzustellen, daß sie in jedem Falle eine einwandfreie Lösung der gestellten Aufgabe darstellen und wenn in den Konsumenten das Verständnis und Bedürfnis für solche Leistungen geweckt wird. Eine hierdurch bewiesene anständige Gesinnung wird derjenigen, die aus den guten Stücken der Vergangenheit zu uns spricht, völlig ebenbürtig sein, und ohne daß wir es wollen oder selbst beurteilen können, werden solche Erzeugnisse aus unseren Tagen der Nachwelt als einheitliche und charakteristische Zeitdokumente erscheinen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/479&oldid=- (Version vom 20.8.2021)