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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


am 1. October 1002 1002 in aller Demuth zu Brusela[1] vor dem Könige. Dieser erbarmte sich seiner und schenkte ihm seine Gunst wieder, und erfüllte sowohl in Betreff seines Lehens, als in allen anderen Beziehungen seine billigen Wünsche. Straßburg aber verlor er, indem er nach dem Rathe und auf Befehl des Königs aus seinen Mitteln auch noch die daselbst befindliche Abtei wiederherstellte. So ward er des Königs treuer Lehnsmann und Freund.

Nachdem diese Angelegenheit so geschlichtet war, begab sich der König zu den Baiern, um ihnen durch sein Erscheinen alle möglichen Beweise von Zuneigung zu geben und zu zeigen, daß er sie vor allen seinen Unterthanen vorzüglich liebte.

Als er nun nach Regensburg kam, empfing ihn der dortige Bischof Gebehard unter dem Jubel der ganzen Bevölkerung und Geistlichkeit, und ehrte ihn, als er dort das Fest des heiligen Martin beging, auf vielerlei Weise.


15. Um diese Zeit ließ Herzog Bolizlav von Böhmen, weil die Mächtigen stets einen Theilhaber und Nachfolger fürchten[2], seinen Bruder Jaremir entmannen, suchte den jüngeren, Othelrich, im warmen Bade zu ersticken, und trieb beide sammt der Mutter aus dem Lande. Dann aber wie ein Basilisk[3] allein herrschend, behandelte er das Volk mit unsäglicher Tyrannei. Aber dieses vermochte endlich die Last einer so schmählichen Mißhandlung nicht länger zu ertragen, und rief heimlich den Wlodowej aus Polen herbei. Ihn erwählten sie nun sowohl der Erbfolge gemäß, als aus Zuneigung einstimmig, und erhoben ihn an des abgesetzten Bolizlav Stelle. Wlodowej aber, dessen Name „Heeresmacht“ bedeutet, war nichts als eine giftige Natter, die nun auf jenen Basilisken, den Bolizlav, folgte. Er behandelte seine Unterthanen ohne jegliche Beachtung der Gesetze. Ich will von ihm nur einen, fast unglaublichen und für einen Christen durchaus nicht nachahmenswerthen

  1. Die heutige Stadt Bruchsal im Badischen.
  2. Lucan I, 92.
  3. Anspielung auf Lucan IX, 726: „In der leeren Sandwüste herrscht der Basilisk“.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/187&oldid=- (Version vom 29.9.2023)