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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

von ihrem Abgangspunkte bis zu dem ihrer Auffindung gemacht, indem beide Punkte durch eine Linie verbunden sind. Sie zählt deren 119 Flaschen und umfaßt nur den Theil des atlantischen Oceans, welcher zwischen den Orkney-Inseln und Guinea liegt. Viele Flaschen, welche nahe der afrikanischen Künste in’s Meer geworfen wurden, fanden ihren Weg nach Europa, und diese Thatsache stimmt gewissermaßen mit dem überein, was man bisher über die Strömung des atlantischen Oceans in Erfahrung gebracht hat. Eine dieser Flaschen scheint die Austral-Panama-Route zu anticipiren; denn sie beginnt ihre Reise am Panama-Isthmus und landet an der irischen Küste; eine andere kreuzte den atlantischen Ocean von den canarischen Inseln bis nach Nova Scotia. Drei bis vier, von Grönlandsfahrern an der Davisstraße entsendet, gelangten an die Nordwestküste von Irland. Eine andere machte eine seltene Reise; sie ging vom südlichen atlantischen Ocean aus, schwamm nach der westlichen Küste von Afrika, passirte die Straße von Gibraltar, ging längs der portugiesischen Küste, passirte die Bay von Biskaja, nahm ihren Weg längs Frankreich in der Nähe von Brest, und wurde bei der Insel Jersey gefunden; wenigstens berührt die gerade Linie, welche von ihrem Ausgangspunkte bis zu dem ihrer Landung gezogen ist, alle diese Orte, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie erst gegen Nordwest und dann gegen Nordost getrieben ist, um rund um die afrikanische Küste zu gelangen und die europäische zu erreichen.

Dieser Seekarte ist eine Tabelle beigedruckt, auf welcher die Berichte, welche die Flaschen enthielten, die Namen der Abgangs- und Ankunftspunkte, die Zeit, wie lange sie unterwegs, und die Namen ihrer Absender und Finder zu lesen sind. – Eine Flasche wurde erst sechzehn Jahre nach ihrer Absendung aufgefunden, eine andere war vierzehn Jahre und zwei dergleichen zehn Jahre unterwegs. Die meisten trieben nicht über ein Jahr, und der kürzeste Zeitraum, den eine Flasche in See war, ist fünf Tage. Sie wurde von dem Kapitain[WS 1]> des Schiffes „Racehorse“ am 17. April in der Caribbean-See entsendet und schon am 22. desselben Monats aufgefischt; sie hatte in dieser kurzen Zeit drei Längengrade in westlicher Richtung zurückgelegt.

Diese Flaschenberichte beginnen gewöhnlich auf folgende Art:

Ich schreibe diese Zeilen in der Absicht, den Lauf der Strömung auszumitteln, laßt mich wissen, wenn und wo ihr sie gefunden. Dann folgt der Name des Schiffes, seine Richtung, und je nach der Bildungsstufe des Schreibers sonstige Bemerkungen über den Wind, den Zustand des Schiffes und zuweilen sogar Verse. Kapitain Marshall schrieb, um ganz sicher zu gehen, seinen Bericht in drei verschiedenen Sprachen, und bat den Finder im Namen der Wissenschaft, seinen Fund sogleich in den Zeitungen zu veröffentlichen.

Die Flaschenpost im Nautical-Magazine wird von den Seefahrern mit dem höchsten Interesse gelesen. Sir John Roß bewies, wie vieler Aufmerksamkeit es erfordere, die Strömung des Oceans nach dem Lauf dieser Flaschen zu berechnen, weil oft eine leichte Flasche vom Winde gegen die Strömung getrieben werde. Er gab einem flachen Stücke Holz die Form einer Flasche, beschwerte den Rücken desselben mit Blei, damit es nur zur Hälfte oberhalb des Wassers trieb, und warf sie zugleich mit einer gewöhnlichen Flasche vom Bord des „Actäon“ in die See. Der Wind war westlich, und man bemerkte, wie die Flasche vom Winde getrieben wurde, während das Holz ruhig mit der Strömung ging.

Wir verdanken der Flaschenpost manche wichtige Berichte in Betreff der Nordpol-Expeditionen. Im Jahr 1848 wurde von Kapitain Bird am Bord des „Investigator“ ein Kästchen mit Papieren den Wellen übergeben und von dem huller Schiff: „Prince of Wales“ aufgefunden. Es benachrichtigte die Admiralität von der Richtung, welche dieses Schiff, so wie das Geleitschiff, die „Enterprize“ zu jener Zeit verfolgte. Von demselben Schiffe, aber unter dem Commando Kapitains M’Clure, welcher seitdem durch Auffindung der Nordweststraße so berühmt geworden, wurde auf der Fahrt nach der Behringsstraße im Jahr 1850 eine Flasche entsendet; sie schwamm in 206 Tagen über 3600 Meilen weit, und wurde an der Hondura-Küste aufgefischt. Eine Flasche von Kapitain Collinson, welcher das Geleitschiff, die „Enterprize“ commandirte, in See geworfen, machte denselben Weg und fand ihren Ruheplatz neben der andern, aber unter sehr verschiedenen Umständen. M’Clure’s Flasche ging von einem Punkt nahe den Cap-Verde-Inseln ab, während die des Kapitain Collinson 600 Meilen weiter südlich und neun Tage später ihre Reise antrat.

Im Jahr 1852 erschien durch Kapitain Beecher eine neue Flaschen-Karte, welche die Reisen von 62 Flaschen angiebt, und diese beiden Karten geben sehr wichtige Aufschlüsse über besondere Strömungen in verschiedenen Meeren, sowie über merkwürdige Verhältnisse, in welchen sich gewisse Schiffe befunden haben. Wie manches Schiff ging in den letzten Jahren verloren, von welchem eine Flasche die einzige noch mögliche Nachricht überbrachte und uns von der unglücklichen Mannschaft bis fast zum letzten Augenblick ihres Lebens Kunde gab. Wir erwähnen der Geschichte einer sehr ungewöhnlichen Flaschen- oder vielmehr Tonnenreise, obwohl sie schon früher irgendwo erzählt wurde, und welche vor einigen Jahren großes Aufsehen erregte.

Kapitain D’Auberville von der Barke „Chieftain“[WS 2] von Boston, erreichte Gibraltar am 27. August 1851. Er ging mit zweien seiner Passagiere nach dem Berge Abylus an der afrikanischen Küste. Auf dem Rückwege begriffen, hob der eine seiner Gefährten einen Gegenstand von der Erde auf, welchen er für eine besondere Art von Stein hielt, und den man bei näherer Untersuchung für ein Fäßchen aus Cedernholz erkannte, welches ganz mit Muscheln überkrustet war. Es fand sich darin eine Cocosnuß mit einer gummiartigen Substanz überzogen. In der Schale dieser Cocosnuß lag ein Pergamentstreifen mit alter, unlesbarer Schrift. Ein amerikanischer Kaufmann in Gibraltar entzifferte sie, es war ein kurzgefaßter Bericht von der Hand Christoph Columbus, im Jahr 1493 geschrieben. Er enthielt die Entdeckung von Amerika und war an Ferdinand und Isabella adressirt. Columbus schrieb: „Er glaube, daß die Mannschaft nicht den nächsten Tag überleben werde, daß die Schiffe sich zwischen den westlichen Inseln befänden, und daß er außer diesem Bericht noch zwei ähnliche den Wellen übergäbe, in der Hoffnung, daß sie von einem Schiffe aufgefunden werden könnten.“ – Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieses Fäßchen wirklich von Columbus entsendet worden sei, an der wenig besuchten Küste zwischen Felsen eingeklemmt, und durch die Kruste von Muscheln vor Zerstörung geschützt, seit 358 Jahren gelegen habe, dennoch darf man dieser Geschichte nicht unbedingten Glauben schenken. Es erhoben sich auch manche Zweifel an ihrer Aechtheit, doch gewann sie auf folgende Weise einige Wahrscheinlichkeit: Als Kapitain D’Auverville seinen merkwürdigen Fund in den „Louisville Varieties“ veröffentlicht hatte, erschien bald darauf eine Copie dieser Anzeige in der „Times,“ und schon nach wenigen Tagen erhielt der Redacteur dieser Zeitung eine Zuschrift von Mr. Morier Evans des Inhalts: daß er im Besitz eines Werkes von alten Reisebeschreibungen sei, in welchem unter andern die Reise Christoph Columbus vom Februar desselben Jahres und die augenscheinliche Gefahr, in der er sich nahe den Azoren befunden, erzählt werde. Ein Auszug aus diesem Werke lautet wie folgt: „Der Admiral, als er den Tod vor Augen sah, wünschte, daß die Kunde seiner Entdeckung zur Kenntniß ihrer katholischen Majestäten gelangen möchte, in dieser Absicht schrieb er den Erfolg seiner Unternehmung auf ein Stück Pergament, umwickelte es mit Wachstuch, legte es in ein hölzernes Kästchen und senkte es in Gegenwart der ganzen Mannschaft, welche dieser Handlung mit religiöser Feierlichkeit beiwohnte, in die See.“ – Jedenfalls bleibt dieses Fäßchen ein merkwürdiger Fund, und es verdiente wohl in einem Museum aufbewahrt zu werden.

Die Flaschenpost hat in neuester Zeit sehr an Interesse gewonnen, ja, sie erhob sich, möchten wir sagen, seit dem Ereigniß, dessen wir schließlich erwähnen, zu einer jetzt obschwebenden Flaschenfrage.

An der nordöstlichen Küste Sibiriens wurde jüngst eine Flasche aufgefischt. Da das russische Gouvernement den Befehl gegeben, ein wachsames Auge auf jene Küste zu richten, in der Hoffnung, einige Nachricht über Sir John Franklin’s Expedition zu erhalten, so wurde die Flasche an die Behörde gesendet. Sie enthielt Nichts – und man konnte nicht begreifen, zu welchem Zwecke sie abgesendet sein mochte; nach einiger Zeit entdeckte man, daß diese Flashe eine von denjenigen sei, welche die norwegischen Fischer statt des Korks an ihre Netze befestigen, um sie flott zu erhalten. Da nun die norwegischen Fischer ihre Netze schwerlich bis an die Küste von Sibirien ausspannen, so ist es wahrscheinlich, daß die Flasche längs der lappländischen Küste und um das Nord-Cap bis Novo-Zembla geschwommen. In diesem Fall würde sie eine Strömung in dieser Richtung bestätigen, und dies möchte der Behauptung Mr. Peterman’s, daß eine nordöstliche Straße in das Polarmeer führt, einige Wahrscheinlichkeit geben.

Dies sind freilich nur Muthmaßungen, keine Beweise, allein wir verdanken doch der einfachen grünen Flasche das Dasein jenes Gedankens.




Schätze im Hungerland. Wie Märchen aus Tausend und eine Nacht hört sich’s an, was aus dem Lande des Hungers, aus Oberschlesien, erzählt wird von goldenen Schätzen, die mit Füßen getreten worden sind, von Arbeitern, die über Nacht zu Millionären wurden, von Töchtern der Arbeiter, um deren schöne und goldene Hand sich Fürsten umsonst beworben haben. Die Wissenschaft ist es, die solche Schätze heben gelehrt hat. Da ist z. B. die berühmte Galmeigrube bei Scharlei. Vor 30 Jahren war die Grube für 30 Ducaten verpachtet, heute hat eine belgische Compagnie für den halben Antheil vier Millionen Thaler geboten und solchen nicht erhalten. Damals wurde sie auf Blei mit etwas Silber bearbeitet, jetzt auf Zink, das die Wissenschaft erst nützen lehrte; erst jetzt versteht man dem erdigen, lehmartigen Galmei seine goldenen Schätze zu entringen. Die Millionen wurden bisher mit Füßen getreten. Grubenantheile, die früher mit 800 Thaler Capital gekauft wurden, ergeben jetzt einen Jahresbetrag von 12–14,000 Thaler. Daher die Möglichkeit, in kurzer Zeit ungeheuere Besitzthümer zu erwerben. Ein gewöhnlicher Hüttenarbeiter, Winkler, erwarb ein Vermögen, welches über eine halbe Million Einkünfte trägt, die er einer einzigen Tochter hinterließ, um deren Hand sich reiche Fürsten vergeblich bewarben, die aber seit sechs Monaten ein hannover’scher Lieutenant Theile geheirathet hat, der nur seine Gage besaß. Eine andere junge, erst 14jährige Erbin, Gudulla, die angenommene Tochter eines Hüttenarbeiters und jetzt dessen erbberechtigte Waise, hat schon 600,000 Thaler Einkünfte. Bis sie das heirathsfähige Alter erreicht, kann das Vermögen leicht um mehrere Millionen wachsen. Penelope auf Ithaka zählte nicht so viele Freier wie die Tochter des Hüttenarbeiters. Oberschlesien ist durch Gruben und Eisenbahnen das deutsche Californien geworden, unter den Webern das deutsche Irland.




Literatur. Von dem wackern Altmeister deutscher Sage und rheinischen Liedes, von Karl Simrock (derzeit Professor an der Universität zu Bonn), sind wieder zwei neue Werke seines zwiefach reichen Schaffens erschienen: „Legenden“ (Bonn bei Ed. Weber) und „Handbuch der deutschen Mythologie, mit Einschluß der nordischen“ (Bonn, bei Ad. Marcus). Dort ist es der volksthümliche, ebenso einfache als kerngesunde Dichter, hier der gründlich-gelehrte und doch immer warm-lebendige Forscher, den wir auf’s Neue in Simrock lieben und achten lernen. Wenige Dichter haben so glücklich den ächt naiven Ton der Legende getroffen wie Simrock, und wenn wir auch das große Verdienst Grimm’s um die deutsche Mythologie hochachten, so müssen wir doch bekennen, daß Simrock’s Werk anschaulicher, klarer und faßlicher und mithin auch allgemein zugänglicher ist. – Seien beide Werke unsern Lesern bestens empfohlen.

Meyer’s Universum zeichnet sich neuerdings durch wirklich vortreffliche Stahlstiche aus und sticht namentlich sehr vortheilhaft gegen andere ähnliche Unternehmen ab, deren sogenannte Stahlstiche auf Kunstwerth auch nicht den kleinsten Anspruch machen können. Wie frisch, keck und anziehend der alte Meyer den Text zu den Abbildungen zu schreiben versteht – eine Aufgabe, die nicht zu den leichtesten gehört – ist bekannt und bedarf keiner besondern Erwähnung.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Kaipitain
  2. Vorlage: Chieflain
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_402.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)