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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

des Bacchus wie an denen, die ihren Genuß zu würdigen wissen.

Der plattdeutsche Reimspruch auf dem Schilde dieses gewaltigen Roland, welcher im Jahre 1456 errichtet wurde und der Stadt 600 Thaler Gold gekostet haben soll, hat sich bis jetzt an Bremen bewahrheitet. Bremen hat seine Freiheit gerettet aus mancher Bedrängniß, und für den Hort und Beschützer dieser Freiheit gilt noch heute dem Volke die gebieterische Rolandssäule. Dem Volksglauben zufolge nämlich soll und wird Bremens Freiheit so lange fortbestehen, als der Roland auf dem Marktplatze sich erhebt, und es gibt – so versicherte man mir – gar viele Leute in der alten Hansestadt, die fest überzeugt sind, daß in einem geheimen Verschluß des Rathskellers ein kleiner Roland, dem großen steinernen vollkommen ähnlich, aufbewahrt werde, damit im Falle eines möglichen Unglückes dieser sofort hervorgeholt werden könne, um der Stadt Freiheit zu beschützen. Die erwähnte Inschrift auf dem mit dem deutschen Reichsadler geschmückten Wappen, das Roland in der Linken hält, lautet:

„Vryheit do ik nu openbar,
De Carel unn mannig Vorst vorwahr
Deser Stadt gegeben hat,
Des danket Gode is min rath.“

Lichtgeflimmer aus den halbverhüllten Fenstern, die wie Geisteraugen zur Erde heraufsahen, und lustiges Gläserklingen, verbunden mit frohem Gelächter, zogen mich magnetisch hinab in die geweihte Tiefe, in deren kühlen weindurchdufteten Räumen der frühverstorbene Wilhelm Hauff seine unvergänglichen Phantasieen von der Lippe des becherkredenzenden Gottes küßte. Wem der zahlreichen Leser dieser Blätter es gefällt, einen Ort kennen zu lernen, wo Jeder ungestört seinen Wünschen, Träumen und Gedanken nachhängen kann, um die Noth der Zeit, den Harm der ganzen Welt zu vergessen, der wolle jetzt mit mir die Stufen in den Bremer Rathskeller hinabsteigen. Ich kann freilich keine Hauff’sche Phantasieen vor seinen Augen entstehen lassen, wohl aber will ich versuchen, diese berühmten unterirdischen Räumlichkeiten zu schildern, wie sie wirklich sind. In unseren materiell gesinnten Tagen mißtraut man gar zu leicht auch der farbigsten Phantasie, darum wollen wir als echte Kinder der Zeit uns an das Greifbare halten. Vielleicht, daß dann in stiller Betrachtung desselben die Phantasie als Genius uns erscheint und um das irdisch Zerbrechliche eine immergrüne Ranke aus seinen überirdischen Zaubergärten schlingt.

Rathskeller in Bremen: Linker Flügel.

Gegenüber der Börse, unter der letzten der vier Statuen, die auf dieser Seite zwischen den Fenstern des Rathhauses sich befinden und, wenn ich die verwitterten Schriftzüge an derselben richtig gelesen habe, griechische und lateinische Redner vorstellen sollen, führt eine nicht allzubreite Treppe hinab in den Keller. Sobald die Fallthür hinter uns zuschlägt, befinden wir uns in dem gewöhnlichen Besuchsraume. Links zwischen je drei nebeneinander liegenden großen Weinfässern sieht man schmale Bänke und breitere Tische von gewöhnlichem Holz. Sie entbehren jeder Zierrath und die Bänke mit ihren kurzen steifen Lehnen sind nichts weniger als bequem. Im Hintergrunde ziehen fünf oder sechs gewaltige Weinfässer durch die Malerei an ihren Bodenflächen die Blicke des Fremden auf sich. Eins trägt das Bremer Wappen, den Schlüssel, andere zeigen buntfarbige Landschaftsbilder. Es scheint indeß, als hätte man diese so farbig aufgeputzten Stückfässer nur zum Beschauen und gleichsam als Lockvogel hier in den Nischen aufgestellt, denn ihr Klang war ziemlich hohl. Das Gewölbe des Kellers ruht auf fünf oder sechs starken Säulen. Weiß glänzende Gasflammen funkeln da und dort unter dem Gewölbe und erleuchten den sehr umfangreichen Raum, der fast die ganze Länge des Rathhauses einnimmt, gerade so viel, daß nur gemüthliche Dämmerungshelle darin herrscht und zu vertraulichem Geplauder, zu behaglichem Genießen die Herabsteigenden einladet.

Rechts vom Eingange gibt es fünf oder sechs Verschläge mit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_537.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2022)