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verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Zwar sind die Füße unbehülflicher, als die Hände, aber dennoch können durch verschiedene Bewegungen mit denselben Buchstaben bezeichnet und zur Mittheilung kurzer Gedanken benutzt werden. Diese Art der Mittheilung heißt Podologie, sie kann sitzend, stehend und tanzend angewendet werden. Man kann diese Sprache, wie auch die vorher genannten, zu geheimen Unterredungen benutzen und die hohe Politik hat sich zuweilen derselben bedient. Die Geschichte erzählt, daß Kaiser Ferdinand III. die Podologie zuweilen gebraucht habe. Als einst ein Gesandter bei Gelegenheit traulicher Unterredung den Fürsten Titius, der vom Kaiser in das Geheimniß der Fußsprache eingeweiht war, rühmte, warnte ihn der Kaiser vor dem Fürsten, weil derselbe mittelst der Astrologie in die verborgensten Geheimnisse einzudringen wisse; und um ihn davon zu überzeugen, ließ der Kaiser den Fürsten Titius rufen, der auch sofort erschien. Der Kaiser hieß ihn an das entfernteste Ende des Saales sich begeben und forderte dann den Gesandten auf, ihm ein Wort in einer ihm beliebigen Sprache in's Ohr zu sagen, worauf der Gesandte lächelnd das englische Wort a dream — ein Traum — dem Kaiser in's Ohr lispelte. Er wollte damit zu verstehen geben, daß des Kaisers hohe Meinung vom Fürsten Titius ein bloßer Traum sei. Unterdessen theilte der Kaiser dem Fürsten das ihm in's Ohr gesagte Wort a dream durch die verabredeten Bewegungen der Füße mit, ohne daß es der Gesandte merkte; und als der Fürst auf die an ihn ergangene Aufforderung dieses Wort sogleich richtig angab, hielt ihn der erstaunte Gesandte in der That für einen Schwarzkünstler.

Ich habe schon oben bemerkt, daß die Podologie auch tanzend angewendet werden kann. Obschon der Tanz in unserer Zeit nicht so in Ehren gehalten wird, wie zur Zeit David's, so bildet er doch immer noch einen Hauptbestandtheil der körperlichen Bildung unserer Jugend. Welch' hohes Interesse könnte man ihm durch die Podologie geben! Wäre es für die Tänzer, wie für die Bewunderer dieser Kunst nicht weit unterhaltender, statt eines sinnlosen Solo, Pas de deux, Pas de trois u. s. w., ein Gedicht, einen Dialog vorzutragen oder vortragen zu sehen? Welche Mannichfaltigkeit der Figuren würde ein solcher Tanz enthalten! Die Tänze der Südländer, z. B. der Bolero der Spanier, mehr aber noch die Tänze der Wilden bieten etwas Aehnliches dar, da durch sie wirkliche Gedanken ausgedrückt werden.

Noch eine Sprache muß ich hier erwähnen, die nach der Pantomimik am meisten verbreitet ist. Es ist dies die Musiksprache, die Sprache des Herzens und der Gefühle. Wo das Wort zu arm ist, da tritt oft Musik an seine Stelle; dies ist bekannt. Weniger bekannt dürfte es vielleicht sein, daß die Noten als Buchstabenschrift verwendet worden sind, indem durch die verschiedenen Intervallen die Buchstaben ausgedrückt werden. Man kann also auf diese Weise in Form eines Walzers, eines Galopps der Geliebten die zärtlichsten Briefchen überreichen.

Zum Schlüsse gedenke ich noch der Knötchensprache. Sie ist im Gefängniß zu suchen. Ein einfacher Faden ist das Material dazu und große und kleine Knoten, ihre Entfernung voneinander, ihre eigenthümliche Verknüpfung sind die einfachen Zeichen, mit denen sich einsame Gefangene die Zeit vertreiben oder etwa Pläne zur Flucht entwerfen. In neuester Zeit haben auch Klopfgeister zu reden angefangen, da dies aber die Sprache unvernünftiger Wesen ist, so kann sie hier, wo von den Mittheilungsmitteln vernünftiger Geschöpfe die Rede gewesen, eben so wenig in Betracht kommen, wie die Sprache der Katzen und Hunde.

Singschwäne. In dem noch ungedruckten Werke: „Anleitung zur Anlegung von naturhistorischen Sammlungen" des Herrn Dr. Schilling zu Naumburg, der früher Conservator am zoologischen Universitätsmuseum in Greifswald war — eine Schrift, welche wir im Voraus allen Freunden der Naturwissenschaften mit bestem Gewissen empfehlen — findet sich eine Stelle über den Singschwan, welche in diesen viel gelesenen Blättern weit verbreitet zu werden verdient. Er sagt über diesen herrlichen Vogel:

Der Singschwan, Cygnus musicus, Bechst., bietet dem Beobachter und Naturfreunde ein überaus schönes Schauspiel dar, nicht allein für dessen Auge, durch seine schöne Körpergestalt und durch die aufmerksame, kluge Weise, die sich bei ihm im Vergleiche mit dem stummen Schwan sehr vortheilhaft in seiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, sowie durch sein schneeweiße Gefieder, wenn er als leichter und kräftiger Schwimmer, den blauen Wasserspiegel durchfurchend, darauf hinzieht, sondern auch dem Ohre durch die lauten, verschiedenen, reinen Töne seiner Stimme, die er bei jeder Veranlassung als Lockton, Warnungsruf und, wenn er in Schaaren vereinigt ist, wie es scheint, im Wettstreite zur eigenen Unterhaltung fortwährend hören läßt. Wenn bei starkem Frostwetter, wo die Gewässer der See außerhalb der Strömungen nach allen Seiten mit Eis bedeckt, und die Lieblingsstellen des Singschwans, die Schare (Untiefen) ihm dadurch verschlossen sind, diese stattlichen Vögel zu Hunderten in diesen offenen Wassern versammelt liegen, und gleichsam durch ihr melancholisches Geschrei ihr Mißgeschick beklagen, daß sie aus der Tiefe das nöthige Futter nicht zu erlangen vermögen: dann habe ich die langen Winterabende und ganze Nächte hindurch diese vielstimmigen Klagetöne in stundenweiter Ferne vielmals vernommen. Bald möchte man dieses vieltönige, singende Rufen mit Glockenläuten, bald mit den Tönen von blasenden Instrumenten vergleichen, allein sie sind beiden nicht gleich, sondern übertreffen sie in mancher Hinsicht, eben weil sie von lebenden Wesen kommen, und daher unserm Sinne näher verwandt sind, als die Klänge des todten Metalles.

Dieser eigenthümliche Gesang des Singschwanes verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene Sage vom „Schwanengesang" und er ist oftmals auch der Grabgesang dieser schönen Thiere, denn da diese in dem tiefen Stromwasser ihre Nahrung nicht mehr zu ergründen vermögen, so werden sie vom Hunger so sehr ermattet, daß sie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kräfte nicht mehr besitzen, und dann häufig auf dem Eise angefroren und verhungert, dem Tode nahe oder bereits todt gefunden werden, wobei sie dennoch bis an ihr Ende ihre melancholisch hellen Laute hören lassen.

Wie klug die Singschwäne übrigens sind, wenn sie verfolgt werden, habe ich oftmals bei der Jagd nach ihnen gesehen. Unter vielen andern Beispielen will ich nur eins anführen: Ein solches Thier, das auf dem Binnenwasser flügellahm geschossen war, rettete sich zu Fuß auf einen benachbarten Teich, und mischte sich unter die zahmen, stummen Schwäne. Wurde später auf ihn Jagd gemacht, so flüchtete er jedesmal durch ein geschicktes Manöver unter diese, die er außerdem gern mied, indem er sich, wenn er eben nicht von Schützen verfolgt wurde, lieber allein hielt.

L. Brehm.





G. A. Wislicenus, früher in Halle, dann zwei und ein halbes Jahr in Amerika, wohnt jetzt, nach seiner Rückkehr, seit zwei Jahren in Zürich in der Schweiz, wo er zum Theil mit literarischen Arbeiten beschäftigt ist, zum Theil seine Thätigkeit der Erziehung von Knaben und Mädchen widmet, von welchen einige ihm aus Amerika gefolgt, einige andere erst hier von ihren Eltern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands übergeben worden sind. Das Pensionat ist sehr zu empfehlen. Meistens besuchen die Zöglinge die dortigen Privat- oder öffentlichen Schulen, die Knaben insbesondere die Cantonsschule, welche aus Gymnasium und Industrieschule besteht, und eines guten Rufes genießt. Es sind mit ihr, außer dem gewöhnlichen Turnen, nach schweizerischer Einrichtung auch militairische Exercitien in Infanterie und Artillerie verbunden, indem die gesammten Schüler, eine bedeutende Zahl, ein Cadettencorps bilden, welches mit denen anderer Schulen und Cantone zuweilen selbst zu Manövern zusammentritt. Als höhere Lehranstalten besitzt Zürich dann die Universität und das Polytechnikum; jene gehört dem Cantone an, dieses ist von der gesammten Eidgenossenschaft gegründet.

Das Verhältniß der Zöglinge zur Familie ist ein trauliches, und insbesondere leben die Mädchen mit der Frau und den vier Töchtern von Wislicenus in steter nächster Gemeinschaft, werden auch zu häuslichen Arbeiten angeleitet. Bei den Privatarbeiten wird Aufsicht und Nachhülfe gewährt. Die Wohnung liegt hoch und frei, dicht vor der Stadt, mit einer reizenden Aussicht, und ist mit einem großen Garten versehen. Die herrliche Umgebung von Zürich, mit Berg, Wald, Wiese und dem klaren See in der Mitte, so wie auch die nahen Hochalpen, geben reichliche Gelegenheit zu Ausflügen und Ferienreisen, und müssen auf Geist und Körper der Zöglinge einen nachhaltig wohlthätigen Einfluß üben. Die Familie von Wislicenus, welche außer den oben Angegebenen noch aus vier Söhnen besteht, unterstützt ihn wesentlich in der Ausführung. Sie bildet einen Kreis, welchem Eltern ihre Kinder gern anvertrauen können.




Ein deutsches Fest im Ausland. An einem Maiabende 1857 war in Gothenburg, der zweitgrößten Stadt Schwedens, eine muntere Gesellschaft junger Deutscher versammelt, die einem scheidenden Freunde das letzte Lebewohl brachten. Ein Theil derselben war zwar früher schon an besondern Tagen zu geselligen Vergnügungen zusammengekommen, aber erst an diesem Abend, wo die geweckte Erinnerung an das gemeinsame Vaterland sie enger zusammenführte, beschlossen sie, in größerer Anzahl einen deutschen Verein zu gründen. An demselben Tag noch, wo früh in der Nacht ihr Landsmann abgesegelt, den 19. Mai, wurde der Verein constituirt, in wenigen Tagen zählte er bereits vierzig Mitglieder, und in stetem Fortschreiten erfreut er sich gegenwärtig trefflichen Gedeihens, An seiner Spitze stehen ein junger Kaufmann, Sohn eines Hamburger Senators, ein Dr. philos. und Privatlehrer, der, wenn auch in England geboren, doch stolz daraus ist, in Deutschland seine Erziehung erhalten zu haben, und ein Ingenieur, der bereits im dänischen Kriege Gelegenheit hatte, als schleswig-holsteinischer Lieutenant seine deutsche Gesinnung zu bethätigen. Wenn die Zusammenkunft des Vereins auch hauptsächlich dem geselligen Vergnügen geweiht, zeigt doch die bereits ganz stattliche Bibliothek, daß auch noch andere Zwecke verfolgt werden. Nicht der geringste davon ist wohl der, allen ankommenden Deutschen eine Zufluchtsstätte zu bieten, wo sie freundliche Aufnahme, bereitwilligen Rath, und im Fall der Noth auch kräftige Unterstützung finden. Vor Kurzem feierte der Verein sein erstes Stiftungsfest und zwar, wegen Abwesenheit des Vorstandes, einen Monat später. Der dazu bestimmte Saal war mit Eichenkränzen festlich geschmückt; über der reichbekleideten Rednerbühne wehete neben der schwedischen die schwarz-roth-goldene Fahne, die, in Deutschland selbst verpönt, hier im Ausland lautes Zeugniß für den der Versammlung innewohnenden deutschen Geist ablegt. Als Ehrenmitglieder waren mehrere Consuln, angesehene Kaufleute, der Pfarrer der dortigen deutschen Gemeinde, sowie der Director der Handelsschule gegenwärtig. Die Festreden der Herren Vorstände wechselten mit ganz tüchtig ausgeführten Quartettgesängen ab, worauf noch der Herr Director Dr. Heinemann eine herrliche Ansprache hielt. Für Erfrischungen war auch bestens gesorgt, und erst spät in der Nacht trennte sich die fröhliche Gesellschaft, voll Freude über das schön gelungene Fest.

Wir haben mit Vergnügen Anlaß genommen, auf diesen Verein hinzuweisen, und überhaupt auf das Verhalten unserer Landsleute im Ausland, wo sie ja überall zerstreut sind, und meistens auch gern gesehen werden. Wenn der Verein auch jetzt noch klein ist, und meistens nur jüngere Mitglieder bat, so bleibt doch ein großer Theil dort fest, und bildet einen älteren Stamm, an den sich die andern Nachkömmlinge anschließen können. Zählt doch gegenwärtig die dortige deutsche Gemeinde schon fünfhundert Seelen. In einer Zeit, wo Schweden in der dänischen Frage eine deutsch-feindliche Stellung inne hat, wo die mächtige scandinavische Partei jede Vermischung mit deutschen Elementen stolz zurückweist, kann es uns nur mit Freude erfüllen, wie unsere Landsleute im Auslande ohne mächtige Kriegszüge ruhig und still Eroberungen machen, wie sie als echte Pioniere deutschen Geistes ihm immer weitere Strecken zugänglich machen, und deutsche Sitte überall weithin verpflanzen. Möge auch der deutsche Verein in Gothenburg, dem wir fröhliches Gedeihen wünschen, das Seinige dazu beitragen, eingedenk der herrlichen Worte unsers Schiller:

An’s Vaterland, an’s theure, schließ Dich an,
Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen!



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verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_452.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)