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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


Sie weinte von Neuem, so schmerzlich, daß es Hans in die tiefste Seele schnitt, und doch that ihm diese Theilnahme unendlich wohl. Sie weinte ja um ihn, den Verstoßenen, den Verbrecher, der sich selbst schon verloren gegeben hatte! Er war ihr also nicht ganz gleichgültig, sie liebte ihn noch — das wehte ihn an, wie die erste Hoffnung der Verzeihung; die Thränen fielen auf sein Gemüth gleich den Tropfen eines warmen Frühlings-Regens und schmolzen vollends die Eisrinde, die sich um sein Herz gebildet hatte.

Endlich ermannte sich Rosel. „Mit dem Flennen ist da nichts genutzt,“ sagte sie, „da maß angepackt werden. Ich will Dich nit verstoßen, armer Hans, aber Du mußt mir versprechen, daß Du thust, was ich von Dir verlang’.“

Sie streckte die Hand aus dem Fenster; Hans ergriff sie begierig und drückte sie zum Zeichen seines Gelöbnisses.

„Dann gehst Du morgen in aller Früh’ nach Erding, meldest Dich beim Herrn Landrichter und erzählst und gestehst ihm Alles haarklein …

Hans fuhr zurück. „Zum Landrichter? Aber denkst Du auch … er wird mich festhalten, in’s Loch stecken, wird …“ „Das wird er freilich thun,“ entgegnete Rosel traurig, „aber es muß sein. Du mußt Dein Recht leiden von der weltlichen Obrigkeit, wenn Du im Himmel wieder angenommen werden willst als der verlorne Sohn …“

„Aber Rosel könnt’ ich denn nicht …“

„Davon geh’n, meinst Du? Und das schlechte Gewissen herumtragen in der weiten Welt? Und schuld sein, daß hier noch mehr Unheil geschieht? Und einmal hinfahren als ein versteckter und verstockter Sünder? — Nein, Hans, es muß sein, wie ich sag’ …“

„Dann bin ich doch ein verlorner Mensch,“ jammerte Hans. „Wer weiß, welche Straf’ sie mir zusprechen …“

„Das weiß ich auch nicht, aber das Gericht und der König wird’s Dir gewiß anrechnen, wenn Du von freien Stücken kommst und Ursach’ bist, daß dem Unheil ein End’ gemacht wird …“

„Und wenn sie’s auch thun, ich muß doch in’s Zuchthaus, wer weiß auf wie lang’, und wenn ich ja wieder heraus komm’, was ist’s dann mit mir? Dann deuten die Kinder mit den Fingern auf mich, Niemand will von dem Zuchthäusler, von dem Sträfling was wissen, und Alle weichen vor mir aus, wie vor dem bösen Feind!“

„Alle, Hans?“ sagte Rosel innig. „Nein, Alle nicht! Und wenn Dich Jedes verstoßt, ich werd’s nicht thun. Ich will morgen den sauren Gang zum Gericht mit Dir machen; aber ich will mich Deiner auch nicht schämen, wenn Du in der Straf’ bist. Ich komm’ zu Dir, so oft es sein darf, und tröst’ Dich, damit Du nicht verzweifelst und so recht bereu’st, was Du verbrochen hast. Und wenn sie Dich wieder frei lassen, dann wird die Rosel am Zuchthausthor steh’n und sich Deiner wieder nit schämen, sondern bei Dir bleiben und mit Dir aushalten, was kommt …“

„Rosel … o Du leibhaftiger Engel,“ schluchzte Hans erschüttert. „Rosel … das wolltest Du thun?“

„Ich versprech’ Dir’s, Hans, so g’wiß, als ich einmal mit mein’ guten Mutterl im Himmel z’sammen kommen will! Im Land, wo Dich Alles kennt, können wir dann freilich nicht bleiben … aber dann geh’n wir miteinander fort. Es wird schon ein Plätzl geben in der weiten Welt, wo wir uns verbessert und ehrlich unser Bisse! Brod verdienen können … Willst Du?“

„Ich will,“ sagte Hans … „aber was mach’ ich nun mit dem Zettel da? Den soll ich unter das Armenseelbildl stecken am Marterstöckl im Schwarzbühel … es ist die Bestellung für die Andern zu einem neuen Einbruch …“

„Herr Gott im hohen Himmel,“ rief Rosel … „den Zettel gib mir, Du aber, versprich mir’s, Du gehst ruhig heim, redst mit keinem Menschen ein Wort, und morgen um sieben Uhr wart’ ich auf Dich, wo die Sempt aus dem Moos herauskommt — dann gehen wir miteinander — Du weißt wohin!“

„So muß ich halt fort von Dir,“ sagte Hans, „ich kann Dir gar nit sagen, mir wird’s auf einmal so schwer um’s Herz … ich wollt’ ich könnt’ da bleiben — mir geht’s vor, ich seh’ Dich nit wieder!“

„Nimm Dich zusamm’, Hans,“ erwiderte Rosel, gleich ihm erweicht, „mach’s herzhaft durch, was sein muß. Der liebe Gott sieht Dein Herz, er wird’s ja machen, daß Alles recht wird.“

Zögernd nur entschloß sich Hans zu gehen. Als er den Holzstoß herabgeklettert war, rief er noch ein wehmüthiges „B’hüt Dich Gott, Rosel,“ hinauf — dann verschwand er langsam, noch oft zurücksehend und winkend, in dem angrenzenden Gehölz.

Nach einigen Secunden schlüpfte auch Rosel geräuschlos aus dem Haus. Sie war in leichter Nachtkleidung, hatte nur ein großes Tuch über den Kopf geworfen und eilte in entgegengesetzter Richtung dem Walde zu.

… Inzwischen war Paul längst am Huberhofe angekommen. Er wollte in seine Kammer, aber sein böser Engel, die schöne Huberin, hatte am Fenster seine Zurückkunft belauscht. Leise rief sie ihn heran, als sie aber erfuhr, daß die ihm aufgetragene That nicht geschehen war, gerieth sie außer sich. Sie schlüpfte aus der Kammer und ließ den halb wahnsinnigen Burschen in die verlassene Stube des Erdgeschcsses ein. Unter den leidenschaftlichsten Klagen zog sie den Verwirrten an sich und verschwendete alle Liebkosungen, alle Künste der Ueberredung, bis er das Versprechen erneute und noch einmal forteilte, den dem Tode Geweihten auf dem Rückwege zu morden.

Die schöne Huberin stand lange am Fenster, unbekümmert um den frischen Morgenwind, der ihr heftig um Stirn und Nacken blies. - Schon leuchtete im Osten ein grauer Streifen auf — da hallte vom düstern Walde das Echo eines schwachen Schusses herüber.

Kaltblütig schloß sie nun das Fenster, indem sie vor sich hinmurmelte: „Gott geb’ Dir die ewige Ruhe, Hans — Du wirst mich nicht verrathen – aber ich hab’ Dir doch Wort gehalten, daß das der letzte Gang war, den Du gemacht hast!“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Karl Vogt hat soeben unter dem Titel: „Mein Proceß gegen die Allgemeine Zeitung“ ein Buch veröffentlicht, das unbedingt großes Aufsehen erregen wird. Was Vogt über viele Mitarbeiter der Allgemeinen Zeitung erzählt, ist so scandalöser Natur, daß, wenn die mitgetheilten Thatsachen wahr sind — und Vogt verspricht, die Beweise beizubringen —, die Augsburger Allgemeine mit ihren oft gerühmten hohen Verbindungen in einem mehr als zweifelhaften Lichte erscheint. Es kömmt da viel schmutzige Wäsche zum Vorschein. Im Uebrigen scheint aus den abgedruckten Documenten hervorzugehen, daß Vogt die ihm vorgeworfene Gewinnung publicistischer Federn für seine Revolutionszwecke nicht mit französischen, sondern mit ungarischen Geldern zu bewerkstelligen suchte, wie er denn auch ganz offen gesteht, daß „wer Oestereich schade, die freiheitliche und einheitliche Entwickelung Deutschlands fördert –“. Dem Buche hat er als Motto sehr malitiös die Aeußerung des Herrn v. Cotta vorgesetzt: „Fünfundzwanzigtausend Gulden gäbe ich darum, wäre die Geschichte nicht passiert!“ — Ein Redacteur der Allgemeinen, Herr Orges, hat bereits gegen einige Behauptungen Vogt’s protestirt.




Der deutsche National-Verein hat vor einigen Tagen sein erstes „Flugblatt“ in die Welt gesandt. Nach einem Hinweis auf die durch die Ereignisse des vorigen Jahres herbeigeführte Vereinigung der liberalen (constitutionellen und demokratischen) Parteien, fordert er wiederholt zu einer gesetzlichen Agitation auf, deren vorläufiges Ziel, ehe an den Ausbau der innern Zustände gedacht werden könne, eine deutsche Centralgewalt mit einer Volksvertretung an der Seite sein müsse. Als unerläßliche Vorbedingung dazu verlangt er, daß der Deutsche seine unselige Scheu vor der „Mißliebigkeit“ ablege und seine Ueberzeugung ohne Furcht vor Maßregelungen aller Art dadurch bethätige, daß er streng in den Grenzen des Gesetzes jeder etwaigen Uebertretung desselben entschieden entgegentrete. Als hauptsächliche Mittel zur Förderung der Vereinszwecke wird die Betheiligung des Volkes bei den Wahlen zu den Ständeversammlungen, Benutzung der Tagespresse etc. bezeichnet.




Auflösung des Räthsels in Nr. 52 vorigen Jahrg.: „Wechsel“. 1. Wechsel der Zustände. 2. Wechsel der Stoffe. 3. Werthpapier. 4. Der „Wechsel“ in Maschinen, Uhren etc. 5. Wechsel des Wildes. 6. Der Köln’sche Wechsel, ein Pflug, am Niederrhein verbreitet. 7. Der Wechsel des Studenten, sein halbjähriges Einkommen. 8. Der Wechsel, Ruhepunkt in den Minen, wo die Karren umgetauscht werden. 9. Der Wechsel der Postpferde (heißt sch1ichtweg Wechsel). 10. Fruchtwechsel. 11. Wechselbalg. 12. Notenwechsel. 13. Wechselfieber. 14. Geldwechsel. 15. Wechselfall. 16. Ringwechsel. 17. Wechselgesang. 18. Briefwechsel. 19. Wechselreiter. 20. Gedankenwechsel. 21. Wechselreim. 22 Wechselschuld. 23. Krankheitswechsel. 24. Wechselgelenk. 25. Kleiderwechsel. 26. Garnisonwechsel. 27. Wechselzahn. 28. Mondwechsel. 29. Windwechsel. 30. Wechselplatz. 31. Bahnwechsel.

„Und ob Alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist!“   Schiller.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_064.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)